Herrschaftsfreie Basisgewerkschaft – Österreichische Sektion der IAA

Erstes und gescheitertes Treffen mit dem Gagarin

In ArbeiterInnenkämpfe Ö, Arbeitsrecht, Gastronomie on 8. Juni 2022 at 17:00

Oder: Die anarchistische Gewerkschaft und das autonome „Kollektiv“

Vorgestern, am 6. 6. 2022, trafen sich einige delegierte Mitglieder des WAS mit Leuten des Cafe Gagarin (darunter allerdings nicht die formal-rechtlich verantwortliche Geschäftsführerin), um in der Sache unseres Mitglieds, das dort ausgebeutet wurde und die Unterlaufung von gesetzlichen Mindeststandards bei Arbeitsrechten erleiden musste, mit ihnen zu sprechen. Doch leider stellte sich das gesamte Treffen sowie allgemein die Denkmuster der anwesenden Gagarin-Mitglieder als derart grotesk und absurd dar, dass ein Gespräch gar nicht möglich war. Aber von Anfang an.

Es begann bereits damit, dass wir aufgefordert wurden, unsere Handys in eine mit Alufolie ausgelegte Styropor-Kiste zu legen, die etwas abseits gestellt wurde. Dies wurde damit begründet, dass wir ja die Unterhaltung aufzeichnen könnten. Eine Leibesvisitation und Untersuchung auf Mikrofone am Körper blieb uns zum Glück erspart.

Danach wurde uns von einem Kollektivmitglied gesagt, dass man uns ja nicht vertrauen könne und wir deshalb eine „Vertraulichkeitsvereinbarung“ unterschreiben müssten, per welcher uns untersagt werde, über irgendwelche Inhalte dieses Gesprächs öffentlich zu berichten. Diese Praxis kennen wir bereits von anderen ArbeitgeberInnen: Der Boss des Le Firin beispielsweise hat in den dortigen Verhandlungen ebenfalls umfangreiche Verpflichtungen gefordert, die uns in unseren Veröffentlichungen eingeschränkt hätten.

Das erwähnte Schreiben, das offensichtlich professionell von einer rechtskundigen Person vorbereitet wurde, haben wir nicht unterschrieben, weil es nicht vorher abgesprochen war und wir als Delegierte somit gar kein Mandat dafür hatten. Außerdem wäre in einem längeren Gespräch sicher über alles Mögliche diskutiert worden, einschließlich Dingen, die wir schon längst wissen. Die Unterschrift wäre also einem umfassenden Maulkorb gleichgekommen.

Ab da an meinte das Gagarin nur mehr, dass das Gespräch komplett sinnlos sei und sie ohne die Verschwiegenheitserklärung eh nichts Rechtliches mit uns besprechen werden. Zudem erklärte ein Kollektivmitglied, er sei ohnehin nur gekommen, um herauszufinden, ob wir Zitat: „entweder Kriminelle oder verrückt sind, oder ob wir einfach von unserer Genossin falsch informiert wurden“. Sehr vertrauensbildend alles …

Danach haben die Gagarin-MitarbeiterInnen uns nur mehr allgemein die Struktur des Gagarin erklären wollen. Wir haben aber bereits im Vorhinein klar gemacht, dass sich das Gespräch darum nicht drehen soll. Es ging und geht für uns allein um die Kompensation für unsere Kollegin, die weit unter dem eigentlich ausstehenden Lohnbestandteilen liegt. All das steht auch in unserem Brief ans Gagarin und unseren veröffentlichten Artikeln , die sie jederzeit hätten lesen können. Als wir diesen Punkt ansprachen, meinte ein Gagarin-Mitarbeiter, dass sie das sowieso ablehnen, darüber überhaupt nicht diskutieren und dann eh gleich gehen können.

Doch wider Erwarten bekamen wir dann noch einen Vortrag darüber, wie super das Gagarin doch sei, dass es keinen Boss gäbe usw. Sie hätten nichts falsch gemacht und alles was sie tun, sei im Einklang mit dem Arbeitsrecht. Das alles verbunden mit Angriffen auf unsere Genossin, die dort gearbeitet hat. Sie wurde indirekt der Lüge bezichtigt und es gab den sehr durchsichtigen Versuch, bei uns Zweifel an ihrer Darstellung zu säen und uns gegen sie aufzuwiegeln.

Als das nicht funktioniert hat, sind die „Nicht-Bosse“ des Gagarin dazu übergegangen, das WAS anzugreifen. Der komödiantische Höhepunkt des ganzen Gesprächs war, als ein Typ vom Gagarin uns gefragt hat, ob wir dafür bezahlt werden, dass wir diese Kampagne machen.

Eine andere Gagarin-Mitarbeiterin warf uns vor, dass wir für unsere Genossin „schlechte Freunde“ seien, weil wir sie gegen das Cafe Gagarin aufgehetzt hätten, anstatt ihr zu sagen, dass sie beide Seiten betrachten muss, und dass vielleicht nur ein Missverständnis vorliegt. Das verbunden mit der Aussage von dem anderen Kollektivmitglied/ „Wöchentlichen“, „wir würden das Leben unserer Genossin zerstören, wenn wir den Rechtsweg beschreiten“.

Unsere Entgegnung, dass wir eben eine Gewerkschaft und kein Freundeskreis sind, wurde nicht wahrgenommen. Ebenso wenig, dass uns ihre interne Struktur und wie sie an welchen Problemen „arbeiten“, nicht interessiert, sondern dass es uns um eine Minimalkompensation für die vorenthaltenen Lohnbestandteile der ökonomischen Ausbeutung geht.

Der krönende Abschluss des Ganzen war jedoch, als am Ende von Seiten des WAS noch gesagt wurde, dass durch die Praxis des Gagarin, die ArbeiterInnen für zu wenig Stunden anzumelden, diese nun ohne Arbeitslosenanspruch in die Armut stürzen würden. Speziell für ausländische ArbeiterInnen ohne Anspruch auf Mindestsicherung kann das sehr problematisch sein, weil sie dann ohne Einkommen dastehen und vielleicht nicht mehr in Österreich leben können. Einziger Kommentar dazu: „Das ist nicht unser Problem“. Tja, wenn das so ist …

Damit wurde das Treffen nach etwa 20 Minuten von Gagarinseite beendet und verlassen. Unser Fazit nach dieser Vorstellung: Das war unser bisher schlimmstes Gespräch, das wir überhaupt mit einem Betrieb je hatten. Jeder stinknormale Boss irgendeiner Ausbeuterfirma hat hundertmal mehr Höflichkeit, Respekt oder Kompromissbereitschaft gezeigt als diese Leute eines „alternativen Kollektivs“. Und die normalen Bosse verstehen irgendwie auch mehr, worum es geht.

Allein schon die Vorstellung, das in ihrem Betrieb Ausbeutung passiert, dass Leute dort arbeiten, um zu überleben, dass gesetzliche Minimalstandards systematisch verletzt werden, dass sie eben keine großartige Familie sind, wo sich alle lieb haben, sondern ein Betrieb, der von Ausbeutung lebt; all das dürfte noch gar nicht im Bewusstsein des Cafe Gagarin angekommen sein, von einer Kompensation ganz zu schweigen. Weiterhin scheint das Wissen über Arbeitsrecht im Gagarin erschreckend niedrig zu sein, und es dürfte in den Wochen unseres Arbeitskampfs keinen Lernprozess gegeben haben.

Interessanterweise waren die Aussagen auch voller innerer Widersprüche: Einerseits war laut Gagarin alles, was unsere Genossin uns erzählt hat, falsch, es gab keine Rechtsbrüche und dementsprechend auch keine offenen Ansprüche. Andererseits haben sie davon geredet, dass dann doch alle derzeitigen MitarbeiterInnen kommen könnten und Geld verlangen könnten. Oder auch, dass sie keine Angst hätten, wir sollen ruhig zum Arbeitsgericht gehen, alles ist 100% korrekt abgerechnet worden, aber; das WAS will das Gagarin zerstören, …

Es scheint nach diesem ergebnislosen Treffen also leider notwendig, diese gewerkschaftliche Kampagne fortzuführen, bis unsere Genossin ihr Geld bekommt. Und das werden wir konsequent machen.

Artikel veröffentlicht am 8. Juni 2022 auf wiensyndikat.wordpress.com. Kopieren mit Quellverweis möglich.