Ansehnliche reformistische Verbesserungen erzielt, Revolution muß noch warten
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge stellen wir vorerst alle gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen gegen die Secession ein. Einerseits schuldet die Secession ihren HacklerInnen weiterhin tausende Euro, andererseits wurden aber auch tausende Euro erfolgreich erkämpft und ernsthafte Strukturänderungen im Museum in Gang gesetzt.
Seit kurz vor Weihnachten ist es ruhiger um den Arbeitskampf in der Secession geworden. Dies lag einerseits an der stressigen Vorweihnachtszeit und den folgenden Feiertagen, andererseits an der unglaublichen Verzögerungs- und Stresstaktik der Secession selbst. Was ist passiert? Wir erinnern uns: Die Secession hat vage zugesagt, alle offenen Ansprüche neuzuberechnen und auszuzahlen. Diese Berechnungen wurden monatelang nicht erledigt, bis am 22. Dezember dann doch Briefe mit Berechnungen und „Angeboten“ bei den kämpfenden Beschäftigten ankamen. Jedoch sollten die Betroffenen diese dann innerhalb weniger Tage akzeptieren und die – erneut falschen – „Angebote“ schriftlich annehmen. Welch eine Farce, daß eine (links-)liberale Institution so tut, als ob man Gehaltsnachzahlungen, die weiterhin unterhalb der kollektivvertraglichen Vorgaben liegen, bestätigen könnte, also auf Ansprüche verzichten oder sogar müsste, damit man sie ausgezahlt bekommt, …
Ab diesem Zeitpunkt wollten sich die meisten der Beschäftigten dem Druck durch die Secession nicht mehr aussetzen. Die Mischung aus Nichtkommunikation der Chefetage (z.B. null Informationen im letzten Lockdown), mehrfachen falschen Berechnungen, jahrelanger Weigerung die Ansprüche überhaupt zu bedenken, perfidem Druck des neuen Vorstandes, auch über außerbetriebliche universitäre und private Kanäle, und die Weigerung überhaupt weiter mit dem WAS zu kommunizieren, stand für Einige in keinem Verhältnis zu den weiterhin ausstehenden Gehaltsbestandteilen. Dazu kam, daß die Achtungserfolge schon recht eklatant ausgefallen sind. Ein berechtigter vorzeitiger Austritt wurde akzeptiert. Alle Geringfügigen bekamen inzwischen Beträge, teilweise in Höhe von fast sechs Monatsgehältern, nachgezahlt. Die permanenten Kontakte in der Freizeit, also die Rufbereitschafts-ähnlichen Behandlungen, wurden tatsächlich eingestellt. Alle rund zehn Vollangestellten der Abteilung haben bei einem Firmen-internen Jour-Fix die Problemfelder, die wir aufgeworfen haben, bestätigt und die Geschäftsführung geht ernsthafte Strukturreformen an.
Nachdem die ersten Zahlungen an Alle geleistet waren, dabei über deren Höhe herzumzufeilschen, war den Betroffenen nicht zentral, und wegen weiterhin fehlenden 1000,- bis 2000,- Euro pro Person nun zum Arbeitsgericht gehen will derzeit auch niemand (außerdem sind noch über zwei Jahre Zeit dafür). Als WAS hätten wir es zwar für wichtig gehalten, Chefitäten nicht damit durchkommen zu lassen, einfach Gehaltsbestandteile nicht auszubezahlen bzw. erneut falsch zu berechnen, aber die KollegInnen, die dort arbeiten, haben selbstverständlich das letzte Wort diesbezüglich. Dazu kommt, daß von insgesamt acht Geringfügigen im Haus, Vier mittlerweile gar nicht mehr im Betrieb sind, und einfach nur noch ihre Ruhe haben möchten.
Deshalb ist die Situation nun die, daß sich die Secession weiterhin gefallen lassen muß, daß öffentlich berichtet wird, daß sie die Gehälter niemals korrekt berechnet hat und ihren ArbeiterInnen weiterhin Geld vorenthält. Es fehlen immer noch tausende Euro. Darunter – neben etlichen gegebenenfalls noch zu überprüfenden Ungereimtheiten – jedenfalls, wie wir nun gesichert wissen, alle Sonntagszuschläge und alle anteiligen 13. und 14. Gehälter für die Mehr- und Überstunden, die in den letzten fünf Jahren geleistet wurden. Die Secession glaubt vermutlich sogar, daß ihre derzeitigen Berechnungen korrekt wären, … Ein Bewußtsein dafür, daß die Angestellen jetzt seit Jahr und Tag ihren vollständigen Gehältern hinterher laufen, scheint es bis heute nicht zugeben. Soviel zum „weinenden Auge“.

Foto: Wiener ArbeiterInnen-Syndikat.
Auf der positiven Bilanzseite steht, daß wir als kleine Basisgewerkschaft wirklich schlagkräftig gegen eine Institution wie die Wiener Secession angekämpft und sehr schnell sehr reale Veränderungen herbeigeführt haben. Wir haben das Museum zügig in die Bredouille gebracht, da dieses jahrelang sehr viele Arbeitsgesetze missachtet hat. Nicht umsonst hat die Geschäftsführung sich gewünscht, daß „die Angestellten sich doch lieber im ÖGB organisiert hätten“, … Wir können diesbezüglich nur wiederholen, daß eine gute Gewerkschaft bekanntlich die ist, die Dein Chef nicht mag. Die aktive Solidarisierung dort ausstellender Künstlerinnen ist auch beachtlich und offenbart die prekäre Realität für den Großteil der Kunstschaffenden, abseits von der High-Society, welche groß im Business ist.
Auch sehr positiv ist, daß wir als gesamtes WAS noch lange nicht am Ende unserer Kräfte und Fähigkeiten gewesen wären. Ganz im Gegenteil, wir sind hochmotiviert und hätten noch einen sehr langen Atem in dieser Causa unter Beweis stellen können. Zudem hat sich erneut bewiesen, daß Kämpfe dann am besten zu führen sind, wenn die ArbeiterInnen sich schon vor irgendwelchen Problemen gemeinsam organisieren. In solchen Ausnahmesituationen wie Arbeitskämpfen damit zu beginnen, Strukturen aufzubauen und Basics wie beispielsweise „Freie Vereinbarungen“, „hierarchiefreie Entscheidungsfindungen“ oder „gemeinsame Ziele“ zu erarbeiten, ist erheblich anstrengender als vorbereitet zu sein!
Finanziell hat dieser Arbeitskampf jedenfalls eine sehr reale Verbesserung für die Geringfügigen gebracht. Und es besteht immer noch die kleine Möglichkeit, daß die Verantwortlichen in der Secession sich doch noch einmal dazu herablassen, eine korrekte Endabrechnugen für Alle Geringfügigen zu erstellen und auch die fehlenden paar Tausender zu überweisen – und das ohne ihre (ehemaligen) Angestellten permanent zu kontaktieren, zu nerven, unter Druck zu setzen oder sich generell auf dumm zu stellen, was Lohnverrechnung betrifft. Übrigens noch ein positiver Kollateral-Gewinn sozusagen: Alle Teil- und Vollzeitangestellten bekommen ihre Gehälter angeblich ebenfalls neuberechnet und werden, ohne aktiv beteiligt gewesen zu sein, mitpartizipieren. Die Secession selbst ist natürlich über solche fünfstelligen Eurobeträge „not amused“, und hätte sich lieber – haben wir das eigentlich schon erwähnt – eine Organisierung ihrer Angestellten im ÖGB gewünscht. 😉
Wir können das letzte halbe Jahr jedenfalls als außerordentlich gute und wichtige Erprobung, Schulung und Verfeinerung unserer Handlungsweisen und Organisierungsformen verbuchen. Damit gehen wir massiv gestärkt in kommende Auseinandersetzungen mit Chefitäten, die glauben, sich nicht an Arbeitsrechte halten zu müssen.
Unser Dank gilt all Jenen, die uns bei diesem Kampf sowohl lokal als auch international unterstützt haben, und denen Klassensolidarität ein aufrechtes Anliegen ist!
Portal aktueller Arbeitskampf Secession
Artikel veröffentlicht am 19.03.2022 auf wiensyndikat.wordpress.com. Kopieren mit Quellverweis möglich.