Herrschaftsfreie Basisgewerkschaft – Österreichische Sektion der IAA

Für den Erhalt der Wiener Zeitung

In Kommentar, Kulturelles und Rezensionen, Kunst/ Kultur on 11. Januar 2023 at 00:47

Das WAS empfiehlt – jetzt Wiener Zeitungs-Abo bestellen

Die Tageszeitung „Wiener Zeitung“ ist zu 100% im Besitz des Staates Österreich. Eigentlich hätten wir als AnarchistInnen uns nie träumen lassen, euch den Bezug eines staatlichen Mediums nahezulegen. Die Dramatik der Situation gebietet dies jedoch. Speziell wegen der – im internationalen Vergleich – extrem erbärmliche Medienlandschaft in diesen Breitengraden, …

Wie kommt es also dazu, daß wir nun eine Lanze für die Wiener Zeitung brechen? Zuerst einmal ist da die spezielle Verfasstheit am österreichischen Tageszeitungsmarkt. Hierzulande gibt es einfach keine gescheiten Zeitungen und davon, inklusive Gratisblättern, auch nur 14 Stück. Der Boulevard ist für uns unlesbar. Die Kronen Zeitung war lange Jahre, gemessen an der EinwohnerInnenzahl, die größte Zeitung der Welt, mit bis zu 45% Reichweite. Das bedeutet, es existiert eine – im globalen Vergleich betrachtet – extreme Marktmacht sowie Einflußmöglichkeiten des Boulevards. Die konservativen „Qualitäts-“medien wie die Presse brauchen wir ob ihres Naheverhältnisses zur ÖVP gar nicht weiter besprechen. Lokalblätter, wie beispielsweise in Deutschland, gibt es keine. Alternative oder gar „linke“ Zeitungen existieren nicht. Auch keine Wochenzeitungen. Die sozialdemokratische Arbeiterzeitung wurde bereits 1991 eingestellt und die kommunistische Volksstimme fristet ein Dasein als weitgehend unbekanntes Monatsmagazin. Bleibt der wirtschafts- und manchmal gesellschaftsliberale DerStandard, der sich vollkommen der Facebookisierung verschrieben hat und von Jahr zu Jahr in der Qualität – speziell was die Redaktionelle betrifft – abnimmt.Allen gemeinsam ist, daß „Nachrichten“ in dieser Gesellschaft Waren wie jedes andere Produkt sind. Lobbyinggruppen geben die Spins vor, Politikberichterstattung bedeutet – und zwar nicht erst seit Message Control und Umfrageskandal – daß Themen positioniert werden und Nachrichten gesteuert. Wer finanzkräftiger ist, kann, wie so oft, auch die Nachrichten besser beeinflussen. Siehe allzu plumpe „News“, wie die unlängst positionierte „Flüchtlingszeltdebatte“ oder jüngst die „schweren Ausschreitungen“ in Linz und zuletzt zu Silvester in Transdanubien. Versuche des investigativen Journalismus‘ wie zackzack.at verbleiben online und damit in aussichtsloser Konkurrenz zu „Social“ Media.

Und dann gibt es da noch die Wiener Zeitung. Auch diese ist Teil des Spektakels, jedoch mit unabhängigem Redaktionsstatut tatsächlich auffallend unabhängig vom Staat. Zwar ist die konservative Chefredaktion in der Blattlinie durchaus zu spüren, jedoch wissen wir sogar von libertären RedakteurInnen. Viele Artikel in der Zeitung sind unerreicht unskandalisierend. Information und Journalismus stehen merkbar im Vordergrund und Clickbaiting, Emotionalisierung und Aufmerksamkeitsökonomie sind vergleichsweise am geringsten von allen österreichischen Tageszeitungen. Die aufgeräumte und sich dezent im Hintergrund haltende Satzspiegelgestaltung und Typographie machen das Lesen auf Papier darüber hinaus zu einem angenehmen Erlebnis ohne Effekthasscherei, was in diesen Zeiten wirklich vermehrt notwendig wäre, jedoch leider zusehends verschwindet.

Kurzum, der redaktionelle Teil der Wiener Zeitung ist derzeit am nähesten von unserem Idealbild einer Tageszeitung, die dem Bedürfnis nach Information und nicht nur dem Ziel von Gefühlsaktivierung und Werbeschaltungsverkäufen entspricht. Rund die Hälfte der Artikel ist auch für AnarchistInnen ohne Bauchweh ob des Propaganda-Gehaltes angenehm zu lesen.

Daß der Eigentümer Staat Österreich die Zeitung, die seit dem Jahr 1703 erscheint, und damit die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt ist, nun nach 320 Jahren einstampfen will, stellt auch kulturpolitisch eine Katastrophe dar. Und noch ein Gedankengang ist in diesem Zusammenhang nicht unerheblich. Die Zeitung ist schon im Eigentum von uns Allen, da sie dem Staat gehört. Genauso wie wir teilweise die Öffentlich-Rechtlichen vor der vollständigen Fremdbestimmung, oder gar der Vernichtung durch das Kapital verteidigen müssen, ist auch eine Zeitung, die bereits gewissermaßen uns gehört, nicht komplett paternalistisch aufzugeben.

Wenn man aber Frau Blimlinger von den Grünen zuhört, wie sie über zukünftige Online-Ideen oder Ausbildungsaufträge des Verlages erzählt, kann man jetzt schon erahnen, daß es sich lediglich um eine Abschaffung der Zeitung auf Raten handeln kann. Die Zeitung soll ab Mitte 2023 nur mehr „online“ erscheinen und einmal monatlich im Print, … wegen der Einsparung von ein paar wenigen Millionen an Kosten. Von der anderen Regierungspartei, der ÖVP, war medienpolitisch sowieso noch nie viel zu erwarten. Sehr plump zugespitzt; „die Furche muß reichen für unsere Schäfchen“.

Daher empfehlen wir das derzeitige Abo-Angebot für 80 Euro/ Halbjahr zu ergreifen. Wenn man ein Probe-Abo vorher nimmt, kommt man auf 24 Wochen, also 0,67 Euro pro Zeitung – inklusive Zustellung jeden Morgen in das Postkastel. Das Erlebnis Medien auf Papier zu konsumieren, das unaufgeregte Lesen Teil des täglichen Morgenrituals (wieder) werden zu lassen, oder statt ins Smartphone immer wieder `mal am Tag, z.B. bei Wartezeiten, in die Papierzeitung zu schauen, ist sehr zu empfehlen. Gerade den jüngeren unter Euch, sagen wir einmal den Nach-Millenials, wollen wir diese Form der Nachrichtenrezeption dringend einmal nahelegen. Täglich ein gut gesetztes und gedrucktes, und dadurch unwiederbringlich abgeschlossenes Werk in Händen zu halten macht einfach real einen großen Unterschied. Dazu kommt, daß die Zeitung dermaßen unkompliziert wie in den 80-Jahren bestellt werden kann. Ein Anruf, und man bekommt sie zugestellt, und einige Zeit später einen Erlagsschein. Keine Registrierung, keine Identifizierung, keine Vorauszahlung, Abbuchungsgenehmigung oder sonstigen Blödsinn. Also wer will kann sogar per Bareinzahlung noch anonym abonnieren. Das Abo endet automatisch, man ist also auch nicht „gefangen“ mit Abo-Tricks wie sonst so oft üblich in der Branche.

Die Informationen sind umfassend und man ist ausschließlich mit dem Printprodukt genauso versorgt wie mit TV, Radiomagazinen, Online oder Mischkonsumverhalten. Der Preis ist unschlagbar günstig, selbst der Standardpreis wären nur 17,50 Euro im Monat und damit auch sozial verträglich – wie es eigentlich sein sollte. Nur zum Vergleich; DerStandard kostet 62,70 pro Monat und ist damit für DurchschnittshacklerInnen real unleistbar.

Wir wollen hier nicht mißverstanden werden. Dieser Kommentar soll kein unkritischer Lobgesang auf eine staatliche Zeitung sein. Selbstredend wäre eine libertäre Tageszeitung das erstrebenswerteste Ziel. Davon sind wir aber momentan leider sehr weit entfernt. Eine in der gegenwärtigen Situation klassische anarchosyndikalistische Herangehensweise wäre eigentlich, die Selbstverwaltung durch die Redaktion und die bei der Zeitung Arbeitenden anzustreben. Diese Idealziele immer im Kopf, müssen wir uns manchmal jedoch auch pragmatisch und reformistisch äußern, speziell wenn der Organisierungsgrad der ArbeiterInnen derart niedrig ist wie aktuell bei der Wiener Zeitung.

Denkt also darüber nach, euch jetzt ein Abo zuzulegen, und täglich eine Printzeitung zuschicken zu lassen. In wenigen Monaten gibt es diese Möglichkeit vielleicht nicht mehr, wenn die Regierung ihr Vorhaben – ihre eigene und derzeit redaktionell erträglichste Tageszeitung Österreichs als  Printprodukt zu vernichten – in die Tat umsetzt.

Veröffentlicht auf dem WAS-Blog am 11. 1. 2023. Kopieren mit Quellenverweis möglich.

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