Herrschaftsfreie Basisgewerkschaft – Österreichische Sektion der IAA

Fristwidrige Kündigung bei Wiener Club

In ArbeiterInnenkämpfe Ö, Arbeitsrecht, Gastronomie on 25. Dezember 2022 at 22:14

2200 Euro erfolgreich eingefordert!

Ein langjähriger Genosse des WAS hat diesen August einen geringfügigen Nebenjob in einem Wiener Club als Türsteher angenommen. Der Chef des kleinen Veranstaltungsortes hat mit Ende August, trotz betont guter Leistungen und Engagement, eine sofortige Lösung am letzten Tag der einmonatigen Probezeit ausgesprochen, da er „doch lieber eine weitere Kellnerin als einen Türsteher für den Betrieb bräuchte.

Die Sache ist aber die, daß in der Gastronomie, laut Punkt 21 des Kollektivvertrages, nur eine maximal 14-tägige Probezeit möglich ist. Es hat sich also um eine sogenannte fristwidrige Lösung/Kündigung gehandelt. Bei derartigen fristwidrigen Kündigungen hat der Oberste Gerichtshof seit Jahrzehnten Urteile gefällt, und hält im Rechtssatz RS0028200 fest, daß in so einem Fall eine Kündigungsentschädigung anlog zu einer ungerechtfertigten Entlassung laut § 29 Angestelltengesetz zusteht. Auch für ArbeiterInnen! Weiters von Interesse für KollegInnen in einer ähnlichen Lage ist, daß das Arbeitsverhältnis jedenfalls mit Ende der falschen Kündigungsfrist beendet ist, wenn auch rechtswidrig. Man bekommt also die Kündigungsentschädigung, läuft aber nicht Gefahr, nochmals zu einem Dienst erscheinen zu müssen, wenn man diese einfordert!

Ebenfalls sehr wichtig: Seit 1. 10. 2021 sind ArbeiterInnen und Angestellte gleichgestellt, und es gilt die Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartal auch für ArbeiterInnen! Dies wurde ebenfalls bereits höchstgerichtlich bestätigt und der plumpe Versuch der WKO, die Gastro generell zur Saisonbranche zu erklären und damit die 14-tägige Kündigungsfrist zu behalten, ist schiefgegangen.

Der Clubbesitzer in unserem Fall macht sehr gutes Geld, nimmt es aber nicht so genau mit den Rechten seiner ArbeiterInnen. Dienste werden spontan verlängert oder verkürzt, er versucht unter dem KV-Mindestlohn zu zahlen, sofern man diesen nicht einfordert, Dienstpläne gibt es quasi nicht, Mehrarbeit wird nicht bezahlt und den KellnerInnen wird unseres Wissens nach jeder Nachtzuschlag vorenthalten. Ein normaler Wiener Gastronom also, … Darüber hinaus haben wir von anderen Genossen die Information, daß der Chef es schon in den 90er-Jahren, damals mit einer komplett anderen Firma in einer anderen Branche, mit der Zahlungsmoral nicht so hatte. Aus all diesen Gründen hat unser Genosse, ein alter Hase in gewerkschaftlicher Vorgangsweise und schon über 40, jegliche moralische Bedenken guten Gewissens ad acta gelegt und nach einigen Gesprächen im Syndikat beschlossen, unkompliziert und ohne großen Aufwand die vier Monate Kündigungsentschädigung einzufordern. Zuerst per Information an den Exchef mit Bitte um Überweisung, dann innerhalb von 4 Monaten nach der Kündigung eine offizielle Geltendmachung der Kündigungsentschädigung per eingeschriebenem Brief inkl. Nachfrist, und anschließend gegebenenfalls Mitte Jänner eine Mahnklage beim Arbeitsgericht.

Gesagt getan, wurde ein freundliches E-Mail, ohne jeglicher Drohung formuliert und letzte Woche an den Chef geschickt. Darin wurde er über die Sachlage informiert und – noch ohne Gesetzeszitaten – empfohlen dies mit der Steuerberatung zu besprechen. Um eine Zahlung innerhalb von acht Tagen wurde gebeten. Das E-Mail war anscheinend so passend formuliert, daß der Chef zwar nicht geantwortet hat, aber innerhalb von wenigen Tagen die mehr als 2200 Euro überwiesen hat. Ein „tätigwerden“ oder „in Erscheinung treten“ des Syndikats war in diesem Fall also gar nicht mehr notwendig. Die jahrzehntelange Organisiertheit unseres Genossen dürfte ausgereicht haben um dem Chef zu vermitteln, daß jegliche Versuche nicht zu zahlen aussichtslos gewesen wären.

Veröffentlicht auf dem WAS-Blog am 25.  12. 2022. Kopieren mit Quellenverweis möglich.

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