Gestern hat uns folgendes Schreiben von der Wirtschaftskammer in der Gagarin-Sache erreicht. Es ähnelt dem Anwaltsschreiben (Ansprüche nicht konkretisiert usw.), nur noch viel kürzer und mit viel weniger Mühe erstellt. Interessant ist die falsche Behauptung, daß das Arbeitsverhältnis beendet wurde, weil unsere Genossin einfach nicht zum Dienst erschienen wäre.
Wir fragen uns, was die Strategie des Gagarin sein soll. Es wirkt nämlich so, als ob sie verzweifelt alle möglichen Stellen einschalten und mit Halbinformationen füttern; und dann schreiben diese an uns. Ist die Hoffnung, daß uns das einschüchtert? Uns irgendwie beschäftigt oder ablenkt?
Bemerkenswert ist jedenfalls, daß das Gagarin weiterhin keine Verantwortung übernehmen möchte. Das WAS soll zum wiederholten Male mit nicht betroffenen/ externen Stellen kommunizieren. Der Steuerberatungskanzlei, dem Anwalt, der Wirtschaftskammer … Gerade der letzte Schritt zeugt auch von einem erbärmlichen Zustand mancher „Linker“. Dabei muß man wissen, daß eine WKO-Mitgliedschaft in Österreich grundsätzlich obligatorisch ist, sobald man ein Unternehmen hat. Also ein korporatistische Zwangsmitgliedschaft, deren Pendant die Arbeiterkammer ist, wo man sich als ArbeiterIn die Mitliedschaft auch nicht aussuchen kann. Verwerflich wird es erst dadurch, daß dann die Dienste dieser – unter ÖVP-Dominanz stehenden Wirtschaftsorganisation – gegen eine Gewerkschaft in Anspruch genommen werden.
Das Café Gagarin soll uns also nie wieder erklären, daß sie ein gleichberechtigtes Kollektiv wären, wo keine Hierarchien vorherrschen. Wie jedes 08/15-Unternehmen die WKO einzuschalten, zeigt eindrücklich, welche Kompromisse die ChefInnen bereit sind einzugehen, um sämtliche legitimen Ansprüche von ArbeiterInnen zu negieren – und vor allem auch, mit wem man bereit ist, sich ins Bett zu legen, um diese Ziele anzustreben.
Was uns allerdings wirklich nur mehr Kopfschütteln lässt, ist die fortwährende Selbstbeschädigung der „Marke“ Gagarin. Dieses Café ist, wie kaum eine andere Firma, abhängig von ihrem Image. Hofft man, daß die Durchschnitts-StudentInnen schon derart ideologiebefreit sind, daß jegliche Arbeitsverhältnisse egal sind, wenn nur die Bio-Käsespätzle und das Club-Mate passen? Spekuliert man darauf, daß beim linken und alternativen Publikum des Gagarins Dinge wie Urlaub, Krankenstand, 13. + 14. Lohn usw. wirklich unbekannt sind? Nach dem Motto „vorwärts, notfalls auch gemeinsam mit der Wirtschaftskammer“? Wir verbleiben ratlos.
Abseits von der Veröffentlichung hier werden wir jedenfalls den Brief der Wirtschaftskammer unbeantwortet lassen und diese nicht involvieren. Die WKO Wien könnte nichts zu einer gütlichen Lösung beitragen und für eine eventuell notwendige Klage vor dem Arbeitsgericht unsererseits ist Kommunikation mit ihr ebenfalls in keinster Weise erforderlich.
Artikel veröffentlicht am 1. September 2022 auf wiensyndikat.wordpress.com. Kopieren mit Quellverweis möglich.
Mehr zu diesem Arbeitskonflikt:
Portal Arbeitskonflikt Café Gagarin