Herrschaftsfreie Basisgewerkschaft – Österreichische Sektion der IAA

Erfundene Verwaltungsübertretungen am 1. Mai

In Kommentar, Repression, sonstiges Recht on 25. Mai 2021 at 00:57

Kommentar und
Schritt-für-Schritt-Anleitung zum kollektiven Widerstand

Die letzten zehn Tage treffen die ersten Strafen für die vermeintlichen Verwaltungsübertretungen am 1. Mai im Votivpark ein – und diese haben es in sich! Alle Verwaltungsstrafen, die WAS-Mitglieder bisher bekommen haben, sind frei erfunden. Es werden nicht nur vermeintliche falsche „Corona-Abstände“ bestraft, sondern in jeder Anzeige werden fehlenden Masken bestraft, obwohl Masken auf der Demonstration durchgehend getragen worden sind.

Es handelt sich also um eine strukturelle Repressionsmaßnahme der Polizei gegen Mayday-TeilnehmerInnen. 450 Strafen zu 240,- Euro sind schnell mal über 100.000,- Euro, die uns so entzogen werden sollen. Nicht wenige von uns Habenichtsen könnten 240,- Euro auch in echte Bedrängnis bringen. Wir halten es daher für extrem wichtig, daß jede einzelne dieser Strafen beeinsprucht und auf keine Fall gezahlt wird. Als WAS leisten wir kollektiven Widerstand dagegen und hoffen, daß dies auch alle Anderen, die so eine Strafe erhalten, machen werden. Falls das Gesundheitsamt die Strafen vom 1. Mai nicht sowieso grundlegend zurücknimmt, um nicht den Handlanger für solche Willkürmaßnahmen der Polizei zu machen, erachten wir es als wichtig, daß jede Einzelne auch vor dem Landesverwaltungsgericht bekämpft wird.

Eines unserer Mitglieder hat folgenden Kommentar dazu verfasst, den wir euch nicht vorenthalten möchten:

Der lange Arm in die Geldbörse –
Die Armen werden geschröpft, weil sie politisches Bewußtsein entwickeln

Nach der heftig unverhältnismässigen Polizeigewalt gegen die friedliche Mayday-Demonstration am 1. Mai 2021 zeigte sich eine andere wohlbekannte Strategie des Gewaltmonopols gegen prekarisiert Arbeitende, denen das System zurecht suspekt und veränderungswürdig erscheint:

Nachdem sich jene, die Demonstration belagernde, Polizei an den Rand des Parks zurückgezogen hatte, kamen nach einer kurzen Kontrollankündigung Trupps mit circa zehn – ihre Aussagen schriftlich abgleichenden – Polizisten zu den sich von dem immanenten Trauma der vorangegangenen Polizeigewalt regenerierenden Demonstrierenden.

Die Polizei begann daraufhin die Demostrierenden wegen vermeintlicher Übertretungen der Covid-19-Sicherheitsmassnahmen anzuzeigen (keine Maske und zu wenig Abstand je 120 €).

Ich hatte zu dem Zeitpunkt sowohl eine Maske auf, als auch mindestens zwei Meter Abstand zu den mich umgebenden Demonstrationsteilnehmenden.

Das gerade in Zeiten der Pandemie Protest gegen Zwangsräumungen, Massenkündigungen und Abschiebungen brutal und kostspielig von staatlicher Seite unterdrückt wird, zeigt die unmenschliche Fratze neoliberal autoritärer Politik. Es handelt sich um eine gezielte Unterdrückungsmassnahme gegen Menschen, die bereit sind, trotz klar unverhältnismässiger polizeilicher Gewalt, gegen präkarisierte Arbeits- und Wohnverhältnisse in Österreich zu protestieren und die Unmenschlichkeit der österreichischen Politik zu entlarven.

Deshalb ist es umso wichtiger sich der eigenen Rechte im Falle einer Anzeige bewußt zu sein.

Das Vorgehen – Schritt-für-Schritt

  • Nach Zustellung der Verwaltungsstrafe innerhalb von zwei Wochen einen formlosen Einspruch einlegen. Beispielsweise einfach einen simplen Brief mit dem Text „Ich erhebe gegen die Verwaltungsstrafe mit der Aktenzahl sowieso Einspruch“ an die Behörde schicken, von der ihr die Verwaltungsstrafe bekommen habt.
  • Nach einigen Wochen kommt dann vom Magistrat eine „Auforderung zur Rechtfertigung“.
  • In diese Rechtfertigung wird dann die Begründung, warum die Strafen falsch sind und keine Verwaltungsübertretungen stattgefunden haben, geschrieben und alles ans Magistrat zurückgeschickt.
  • Dann kommt eine Entscheidung zurück. Das kann in zwei Wochen sein, sollte gesetzlich maximal ein halbes Jahr dauern, wir haben aber auch schon Erledigungen nach einem Jahr zurückbekommen.
  • Sollte das Magistrat auch dann noch strafen, bringen wir jeden einzelnen Fall vors Landesverwatungsgericht, indem das entsprechende Rechtsmittel – eine Beschwerde – eingelegt wird.

Weitere Kosten entstehen sowieso keine. Der Preis für so eine unverfrorene Repressionsmaßnahme muß so hoch wie möglich für die Behörden werden. WAS-Mitglieder zahlen die Strafen keinesfalls selber, sondern wir kommen gemeinsam und solidarisch dafür auf, falls sie letztinstanzlich wider Erwarten doch zu zahlen sind. Auch beim Formulieren der Einsprüche unterstützen wir uns gegenseitig und alle FreundInnen, die mit uns gemeinsam auf der Demonstration waren. Alle unorganisierten TeilnehmerInnen der Mayday, die Hilfe brauchen, können sich ausnahmsweise an „Asyl in Not“ wenden.

Wichtig ist: Nicht bezahlen! Alle Briefe immer eingeschrieben abschicken (den Beleg unbedingt als Beweis aufbewahren!). Zwei-Wochenfrist nicht verpassen! Diese beginnt mit der Zustellung bzw. Hinterlegung bei der Post, egal ob ihr den Brief abgeholt habt oder nicht. Den Einspruch möglichst am Ende der Frist abschicken, um Zeit zu gewinnen, aber Frist nicht verschludern!

Bei Ortsabwesenheit (einer Reise o.ä.): Zur Post gehen und sich „ortsabwesend“ melden, davon eine Bestätigung geben lassen. Wer MitbewohnerInnen hat in so einem Fall, denen nachdrücklich sagen, sie sollen Schreiben und RSb-Briefe für euch nicht annehmen!

Bezahlt wird nicht!

WAS-Rechtunterstützung

Artikel veröffentlicht am 25.05.2021 auf dem WAS-Blog. Kopieren mit Quellenverweis möglich.

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