Herrschaftsfreie Basisgewerkschaft – Österreichische Sektion der IAA

Unglaubliche Entgleisung der Wiener Polizei

In Repression on 1. Mai 2021 at 23:55

1.Mai-Abschlußkundgebung mit mehreren tausend Menschen angegriffen. Viele Verletzte, etliche Festnahmen.

Was sich die Polizei heute im Votivpark geleistet hat, ist sogar für deren Verhältnisse als absurd zu bewerten. Eine Mischung aus individuell gewaltgeilen Beamten und vermutlich überforderter Einsatzleitung führt zu einem wahllosen Angriff auf die Abschlußkundgebung mit 2000 bis 3000 Menschen im Votivpark. Es werden mehrere hundert Menschen mit Zwangsgewalt beamtshandelt und durch den Park geprügelt und mit Pfefferspray davongetrieben, …

Was ist passiert? Die Mayday-Demonstration durch Ottakring bis zum Votivpark war eigentlich sehr positiv. Mit 2000 Menschen gut besucht, kämpferisch, inhaltlich anspruchsvoll und soweit möglich unter Einhaltung der Corona-Sicherheitsmaßnahmen.

Im Votivpark in der Wiener Innenstadt angekommen, haben sich Alle auf der Wiese niedergelassen, Infotische wurden aufgebaut und der ganze Park war mit Familien und gut gelaunten Menschen locker gefüllt. Irgendwer lässt dann von einem Baugerüst auf der Votivkirche ein Banner herunter. Laut letzten Meldungen von „Presse Service Wien“ sollen kurz darauf zwei rechte Teilnehmer von „Corona-Protesten“ neben der Votivkirche 1. Mai-DemonstrantInnen mit Pfefferspray angegriffen haben. Etliche Menschen bewegen sich solidarisch zum Ort des Geschehens. Die Polizei beginnt herumzuschubsen und Pfefferspray einzusetzen. Die Sondereinheiten und die Hundestaffel werden herangekarrt und ein paar verhaftete Menschen werden zu einem Gefangenentransporter auf der „Straße des 8. Mai“ gebracht. Teile der Demonstration stehen dort immer noch herum.

Und dann nachdem die Sache schon eine Halbe- bis Dreiviertelstunde hin- und hergegangen ist, hat die Polizei keine bessere Idee als einige hundert weitere PolizistInnen dort hinzufahren und den kompletten Park auf der anderen Seite der riesen Straße mit tausenden Unbeteiligten anzugreifen.

Hier eine unvollständige und individuelle Aufzählung von einigen Vorgängen, die unsere Mitglieder – allesamt vollkommen unvermutet – erlebt haben:

  • Eine unserer Freundinnen, die lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort war, bekommt eine enorme Ladung an Pfefferspray ab und muß von zwei GenossInnen vollkommen blind davongetragen werden, weil die knüppelnden PolizistInnen alles prügeln, was nicht schnell genug davonläuft.
  • Ein Genosse betreut eine rund 70-jährige Frau, die von hinten von der Polizei in den Rücken geschlagen wurde. Sie ist als ernsthaft traumatisiert zu betrachten.
  • Das WAS-Picknick, eigentlich ab vom Schuß, muß innerhalb von einer Minute zusammengepackt werden und schafft es genau zehn Meter vor den knüppelnden und pfeffersprayenden Polizeihorden zu fliehen. Im Park ist zu dem Zeitpunkt schon eine Art Massenpanik.
  • Ein komplett jenseitiger Polizist geht, nachdem die große Aufregung schon vorbei war, zu mehreren Infotischen und schmeißt diese um. Er hört erst auf als er merkt, daß seine Kollegen nicht mitmachen.
  • FreundInnen mit Kleinkind können wirklich nur haarscharf vor dem Pfefferspray fliehen. Andernorts wird auch berichtet, daß Kinder tatsächlich Pfefferspray abbekommen haben.
  • Einer Frau, die ohne den Einsatz zu behindern filmte, wurde von der Polizei die (gute) Kamera entwendet, anscheinend damit die Dokumentation der polizeilichen Gesetzesübertretungen verhindert wird. Als die Frau dann zu den Polizisten geht und ihre Kamera zurückverlangt, wird sie verhaftet.
  • Nachdem schon lange alles vorbei ist, beginnen Unmengen an PolizistInnen durch die in der Wiese Sitzenden zu gehen, Personalien aufzunehmen und Corona-Übertretungen zu erfinden. Es werden massenhaft Anzeigen für Verwaltungsübertretungen verteilt und zwar vollkommen Erfundene.

In einer ersten Bewertung denken wir, daß die Polizeiführung weiß, daß da heute von der Polizei massiv Scheiße gebaut worden ist. Die Polizeiaussendung, daß „Menschen einige Meter abgedrängt wurden“ als Spin dafür, den Park auf ganzer Breite einmal wahllos durchzuknüppeln, spricht Bände. Wir denken nicht, daß es sich um einen von vornherein geplanten Angriff (wie unlängst in Innsbruck) gehandelt hat, dazu waren die Reaktionszeiten einfach zu lange, und die Demonstration davor selber wurde in Ruhe gelassen. Vermutlich dürften viele BeamtInnen von der Einkesselung der Corona-LeugnerInnen hinter dem Burgtheater abkommandiert worden sein, und waren deshalb schon auf 180 und haben dermaßen unangemessen reagiert. Der immer mehr zu beobachtende anlaßlose und gesetzeswidrige Einsatz von Pefferspray stellt ein ernsthaftes Problem dar. Heute war auch ein erhöhter Anteil an gewaltgeilen BeamtInnen am Werk. Es wäre zu untersuchen, ob dies schon Auswirkungen der Anwerbung von neuen PolizistInnen in rechtsradikalen Onlinemagazinen der letzten Schwarz-Blauen Regierung sind.

Obgleich wir wissen, daß die Polizei als Büttel des Kapitals dazu da ist, gegen uns ArbeiterInnen Gewalt auszuüben, ist die Heftigkeit, mit der sie dies heute – am Kampftag der ArbeiterInnen – getan hat, sehr unerwartet gewesen. Verwunderlich allerdings nicht. Und wir werden vermutlich in den kommenden Jahren, wenn die sozialen Konflikte wegen Bezahlung der Geschenke an die UnternehmerInnen im Zuge der „Corona-Krise“ zunehmen werden, noch viel mehr davon erleben.

Die ArbeiterInnen von Wien am wichtigsten Ihrer Feiertage zu Hunderten körperlich anzugreifen, darf auch nicht unbeantwortet bleiben! Wir unterstützen daher die Ankündigung der Mayday Wien auf vielfältigste Weise gegen diesen Einsatz vorzugehen. Unsere Mitglieder erhalten selbstverständlich maximale Unterstützung vom Syndikat und wir machen uns in den kommenden Tagen auch persönlich etwas zur weiteren kollektiven Vorgangsweise aus.

Auf mayday.jetzt gibt es für alle Betroffenen ausführliche Informationen zu Kontakt und Vernetzung bezüglich der Polizeigewalt, zu Trauma und Repression sowie weiteren Updates.

Bis zumindest Sonntag 11 Uhr vormittags findet vor dem Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände noch eine Kundgebung statt, solange noch nicht alle Verhafteten freigelassen sind.

Veröffentlicht am 1.5.2021 am WAS-Blog, kopieren mit Quellenhinweis möglich

Nachtrag 3. Mai 2021:

Das Presse Service Wien hat herausgefunden, und berichtet daß es sich bei der Person mit rechtsradikaler Szenekleidung, die zu Beginn DemonstrantInnen mit Pfefferspray angegriffen hat, um einen Zivilpolizisten handelt. Die Polizei hat Montag Vormittag bestätigt, daß es sich bei den Beiden um Zivilpolizisten gehandelt hat.

Das WAS hat sich bis Sonntag Abend an der durchgehenden (!) Solidaritätskundgebung vor der „Liesl“ (Polizeigefangenenhaus Rossauer Lände) beteiligt. Ebenso sind wir heute bei der Kundgebung vor dem Landesgericht dabei. In der Wickenburggasse 18 – 20 ist ab 9 Uhr, zur solidarischen Unterstützung einer vorläufig Festgenommenen, die der HaftrichterIn vorgeführt werden soll, eine Versammlung.

Da die Medien die Vorgänge vom Samstag totschweigen, gibt es nun auch APA-OTS Aussendungen der Hochschüler_innenschaft der Akademie der bildenden Künste Wien und des Mayday Bündnisses sowie der ÖH Uni Wien gemeinsam mit der PRL. Lediglich ausgerechnet im Boulevard gibt es einen bemühten Artikel, da ein Reporter von „Heute“ ebenfalls von der Polizei umgestoßen und verletzt worden ist.

Eine vorläufige Bilanz nach derzeitigem Wissensstand bzgl. Samstag sieht folgendermaßen aus:

-) Laut „Vienna Street Medics“ mussten „zahlreiche Menschen mit teilweise kritischen Verletzungen“ vor Ort versorgt werden. In zumindest einem Fall wurde den SanitäterInnen von der Polizei der Zugang zu einer verletzten Person verwehrt.
-) Zwei Menschen mußten mit bedrohlichen Verletzungen von der Rettung ins Spital gebracht werden
-) Eine unbekannte dreistellige Anzahl an Menschen wurde von der Polizei leicht verletzt (Abschürfungen, Prellungen, leichte Gehirnerschütterungen, Pfefferspray, …)
-) Es gibt laut Polizei 7 verletzte PolizistInnen, davon jedoch ein mal von Glassplittern, und 6 mal vom eigenen Pfefferspray
-) Es gab nach jetzigem Wissensstand 9 vorläufige Festnahmen rund um den Votivpark
-) Über 450 verwaltungsrechtliche Anzeigen wegen „Corona-Maßnahmen“.

Alle Fotos auf dieser Unterseite sind von der Gewerkschaft WAS CC BY-NC-SA 3.0 AT

Werbung

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s