Drei erfolgreiche WAS-Kämpfe gegen das Arbeitsamt
Das WAS beziehungsweise seine Vorgängerorganisationen beschäftigen sich seit dem Jahr 2002 immer wieder mit dem AMS. Verstärkt auch erneut seit Corona. Wir haben etliche Kämpfe im Arbeitslosenbereich gewonnen und möchten euch heute Drei aus dem letzten Jahr exemplarisch präsentieren.

Denn obwohl das AMS sehr viele Menschen richtiggehend in Ruhe lässt seit Corona, haben manche Mitglieder von uns Unglaubliches erlebt, wogegen wir uns im Rahmen unserer Gewerkschaftstätigkeit gemeinsam wehren mußten. Diese Fälle stehen beispielhaft dafür, daß die Rechtsauslegung des Arbeitsmarktservice verhaltenskreativ und oft auch einfach ungesetzlich ist. Sich gemeinsam dagegen zur Wehr zu setzen ist sinnvoll. Wir konnten alle Fälle, in denen wir interveniert haben, erfolgreich für uns ArbeiterInnen abschließen.
Fall 1: Das Coronabedingt zugesperrte AMS
Beginnen wollen wir mit einer Genossin, die der Inkompetenz und Willkür zu Beginn von Corona ausgesetzt war. Sie hatte einen Kontrollmeldetermin versäumt und da man nicht wie früher einfach von 12 bis 13 Uhr einen Ersatztermin am selben Tag wahrnehmen kann, bekommt man lediglich – gleichsam als Zusatzstrafe fürs Unpünktlich sein – seit Jahren einen neuen Termin. Dieser kann – als weitere Repressionsmaßnahme – Wochen später sein und das AMS sperrt während dieser Zeit strukturell noch immer rechtswidrig „vorläufig“ die Bezüge (ohne Rechtsgrundlage). Unsere Genossin war also „gesperrt“ obwohl sie selbst nach AMS-Logik nie eine echte Sperre zu erwarten hatte und hat den neuerlichen Termin für den 16.3.2020 zugewiesen bekommen.
Leider war dies der allererste Tag des ersten Lockdowns und sie wurde trotz aufrechtem Termin nicht in die Regionale Geschäftsstelle eingelassen. „Niemand darf ins AMS“ und „Sie werden telefonisch kontaktiert“ war die Auskunft vor dem Gebäude. Zusätzlich hat der Berater auch noch mehrfach vor einer Zeugin versichert, daß „sowieso alle Sperren jetzt automatisch aufgehoben werden“. Nur leider war die Realität eine Andere, die „Sperre“ wurde nicht aufgehoben und Anrufe beim AMS erbrachten nur die Info, „daß man ja gesperrt sei“. Der Einwand, daß man die sowieso rechtswidrige „vorläufige Sperre“ nicht einmal aus der Welt schaffen durfte, weil man ja trotz korrektem Termin nicht ins AMS hineingelassen wurde, hat leider mehrere AMS-CallcentermitarbeiterInnen intellektuell überfordert. Es wurde einfach drei Monate gar kein Geld überwiesen.
Also haben wir vom WAS uns hingesetzt und einen eingeschriebenen Brief formuliert, wo nochmal auf die rechtlich zulässigen Gründe für Sperren eingegangen wurde und die Rechtswidrigkeit der weiterhin aufrechten Sperre thematisiert wurde. Und siehe da, zwar gab es keine Antwort, aber das fehlende Geld ist dann ein paar Wochen später kommentarlos überwiesen worden und die Genossin hat einen Brief mit einem „Telefontermin“ für fast drei Monate später zugestellt bekommen.
Fall 2: Der Ausländer
Dieser Genosse verlor während Corona seine Arbeitsstelle. Er hat die deutsche Staatsbürgerschaft, und wurde nach fast einem Jahrzehnt durchgehender Werktätigkeit in Österreich zum ersten mal hier arbeitslos. Zum Verhängnis wurde ihm, daß er so renitent war, dem AMS keine Telefonnummer und auch keine Mailadresse angeben zu können.
Ein paar Wochen später fand der Genosse an der Türe seiner Wohnung eine Info von der AMS-Landesgeschäftsstelle, daß der „Erhebungsdienst“ da war, ihn aufsuchen will und er sich am folgenden Tag zur Verfügung halten soll für eine Überprüfung in der eigenen Wohnung. In Unwissenheit, daß so ein „Erhebungsdienst“ überhaupt existiert, mußten wir schnell handeln, und beschlossen mit ihm gemeinsam am folgenden Tag zur angekündigten Zeit aufs Landesarbeitsamt selber zu gehen und diese Übergriffigkeit im höchstpersönlichen Privatbereich nicht zu akzeptieren und das AMS nicht in die Wohnung zu lassen.
Am Landesarbeitsamt Wien selbst hat die Debatte mit den EmpfangsmitarbeiterInnen und später mit jemandem aus dieser Erhebungsabteilung und das Warten in der Lobby dann fast drei Stunden angedauert. Wir haben uns sehr hartnäckig nicht abwimmeln lassen. Gegen Mittag wurde den Leuten klar, daß wir nicht gehen werden und daß ihre Weigerung uns vorzulassen, oder auch die Weigerung der von uns zwischenzeitlich verlangten Annahme eines Datenauskunftsbegehrens, nicht zum Ziel führen wird, uns loszuwerden. Also wurden der betroffene Genosse und jemand von der WAS-Rechtsunterstützung schließlich doch von der Chefin der „Erhebungsabteilung“ empfangen. Diese war intelligent genug, respektvoll sowie freundlich und zuvorkommend zu agieren und zu versuchen, den Sachverhalt aufzuklären.
Was ist also passiert? Das AMS hatte in der Datenbank eine alte Mailadresse von einer Bildungskarenz fünf Jahre zuvor. An Diese hat es ein Werbemail für das E-AMS-Konto verschickt. Zwar gab es diese Mailadresse noch (wenn auch nicht genutzt), aber der web.de-Server (ein riesiger kommerzieller Anbieter) hatte anscheinend genau zu dem Zeitpunkt ein Problem und das Mail ist zurückgekommen. Und dann kam die AMS-Logik ins Spiel: Ein deutscher Staatsbürger ohne Telefon und mit Problemen des deutschen Mailservers kann nur bedeuten, daß die Person sich gar nicht in Österreich aufhält und Sozialbetrug begeht! Ein Monat nach der Arbeitslosenmeldung nach fast zehn Jahren Versicherungsbeiträge einzahlen hier, wohlgemerkt! Verknüpft mit der falschen Dokumentation auf der regionalen Geschäftsstelle, daß er „für Gespräche nicht zur Verfügung stehen würde“ (obwohl die Aussage war, daß er derzeit kein Telefon hat), mußte die Sozialbetrugsabteilung eingeschalten werden …
Die Abteilungsleiterin hat dann alle Sperren aufgehoben, eine korrekte Niederschrift gemacht, und auch zuvorkommend alle Daten ausgedruckt, auf die sie Zugriff hatte. Selbst das Datenauskunftsbegehren hat sie anstandslos entgegengenommen und den Erhalt bestätigt. Daher wissen wir auch, daß die Datenauskunft NICHT sämtliche Informationen, die in der AMS-Datenbank gespeichert werden, enthalten hat!
Die Anmerkung, daß es sich bei dem ganzen Vorfall eigentlich um ein rassistisches Screening gehandelt hat, hat die AMS-Mitarbeiterin strikt von sich gewiesen. Wir konnten aber merken, daß wir sie kalt erwischt haben, und sie anscheinend auch wirklich ein bissl geschockt war, daß es so ist, oder zumindestens daß es erkannt wurde.
Die Hartnäckigkeit vor Ort am Landesarbeitsamt sowie die Nichtakzeptanz der massiven Grenzüberschreitung, daß das AMS in die Wohnung will, hat sich ausgezahlt! Der Genosse bekommt seitdem problemlos seine Versicherungsleistung überwiesen und hat bisher keine weiteren Probleme mit dem Arbeitsamt.
Fall 3: Der Nichterreichbare oder doch Praktikant?
Ein weiterer Genosse hatte sein Arbeitslosengeld im zweiten Monat seiner Arbeitslosigkeit einfach nicht erhalten. Nach einer Woche haben wir dies in der Gewerkschaft thematisiert und ein Telefonat ergab, daß er bereits seit fünf Wochen „abgemeldet“ sei vom AMS-Bezug. Zwar wurde ihm das nicht mitgeteilt und auch auf Nachfrage jegliche schriftliche Information darüber verwehrt, aber er schien tatsächlich abgemeldet zu sein. Das WAS hat ihn dann an einem der folgenden Tage zum regionalen AMS begleitet und dort wurde dann erklärt, daß er ja fünf Wochen zuvor telefonisch nicht erreichbar gewesen sei und deshalb automatisch abgemeldet wurde. Also keine Sperre, sondern eine Abmeldung! Vor Ort waren die MitarbeiterInnen wieder extrem bockig und haben jegliche schriftliche Bestätigung verweigert. Lediglich die vage Information, daß sich wer telefonisch melden wird, wurde mündlich gegeben.
Ein Mitarbeiter hat noch einen Trick versucht und gefragt, ob einen „Neuanmeldung“ gewünscht sei, was aber der Akzeptanz der rechtwidrigen Abmeldung durch das AMS gleichgekommen wäre! Folgerichtig wurde eine Neuanmeldung verneint und darauf gepocht, daß die Abmeldung zurückgenommen wird.
Wir haben dann wiederum ein Schriftstück zusammen aufgesetzt, in dem wir die rechtliche Lage für das AMS erörtert haben. Speziell haben wir darauf hingewiesen, daß es keine Rechtsgrundlage für Abmeldungen (auch nicht für Sperren) wegen Nichterreichbarkeit am Telefon gibt und daß wir diese „Abmeldung“, falls sie tatsächlich stattgefunden hat, sogar als Straftatbestand laut § 107 Abs. 2 StGB erachten.
Ein paar Tage später kam dann ein Anruf, in dem mit keinem Wort auf die Abmeldung eingegangen wurde, sondern ein neues G‘schichtl von wegen der Genosse „sei ja in einem Praktikum und deshalb gibt es eine Sperre, …“ gedruckt wurde. Wir haben darauf hingewiesen, daß dieses Praktikum nur 10 Stunden pro Woche dauert und natürlich eine Arbeitsbereitschaft und Arbeitswilligkeit, wie im Gesetz vorgesehen, vorliegt. Eine Praktikumsbestätigung und drei Wochen später wurden die ganzen zweieinhalb Monate Versicherungsleistung nachbezahlt!
Fazit
- In den ersten Monaten des Jahres 2021 haben wir mehrfach von AMS-MitarbeiterInnen gehört, daß es keine Sanktionsmöglichkeiten bei Nichterreichbarkeit am Telefon gibt, und dies auch hausintern bekannt ist. Unser Kampf gegen Abmeldungen und Sperren bei nicht zustandegekommenen Telefonterminen hat somit zu realen Auswirkungen mitbeigetragen! Lasst euch also nichts gefallen und macht bei Sperren immer Einsprüche.
- Mittlerweile ist auf einer anderen Rechtsmaterien-Front auch schon eine Bewegung zu sehen. 15 Jahre nachdem wir das erste mal dagegen angekämpft haben, hat das AMS die Praxis der „vorläufigen Sperre“ dahingehend abgeändert, daß man in diesbezüglichen Informationsschreiben eine Rechtsbelehrung erhält, daß man einen Bescheid über die „vorläufige Sperre“ fordern kann. Wir erachten „vorläufige Sperren“ ohne vorangegangene Verwaltungsverfahren immer noch als rechtswidrig, aber langsam kommen wir den geltenden Gesetzen näher.
Das Problem an diesen „vorläufigen Sperren“ ist, daß man dagegen nur vorgehen kann, wenn man einen Bescheid über den Leistungsanspruch hat! Also immer bei Abgabe des Arbeitslosen- oder Notstandshilfeantrags eine „Bescheidmäßige Ausfertigung über den Leistungsanspruch“ verlangen! Sonst kann man gegen diese sehr weit verbreitete Willkür nicht ankämpfen.
- Weiters empfehlen wir sehr nachdrücklich, kein E-AMS Konto zu akzeptieren, oder sich davon abzumelden, wenn man sich unvorbereitet breitquatschen hat lassen! Auch wenn es noch so praktisch scheint, man macht sich damit zum Objekt in einem digitalisierten Elendsverwaltungs-Algorithmus, der bisher immer nachteilig war für uns HacklerInnen! Automatisiert schickaniert zu werden, ist noch schwieriger für uns als von rechtsunwissenden MitarbeiterInnen.
- Falls die MitarbeiterInnen am AMS jegliche Bestätigungen über ihre Machenschaften verweigern und auf komplett stur schalten, so verlangt zumindestens immer eine Zeitbestätigung, um nachweisen zu können, daß ihr vor Ort wart! Dies kann im Nachhinein auch sehr hilfreich sein, und so sind auch keine nachträglichen Lügen über eure Anwesenheit am Amt möglich.
- Über den Ausgang des Datenlöschungs-Begehrens und die Beanstandung der falschen Datenauskunft durch das AMS werden wir euch nach Erledigung der Causa informieren.
- Abschließend müssen wir auch noch einen Seitenhieb auf die Arbeiterkammer anbringen. Von MitarbeiterInnen der AK-Rechtsberatung wissen wir, daß seit den späten 2000er-Jahren die AK grundsätzlich keine Beratungen mehr zu AMS-Angelegenheiten macht. Selbst wenn das AMS also noch so gesetzeswidrig gegen uns handelt, lässt uns die AK wieder mal im Regen stehen! Aber irgendwie folgerichtig; sie ist Teil des Systems AMS und AK-VertreterInnen sitzen auch in jedem Regionalbeirat, der über Sperren am jeweiligen AMS entscheidet.

- Und zu guter Letzt sollte auch die aktuelle Entwicklung als das gesehen werden, was sie ist. Wenn der neue „Arbeitsminister“ Kocher in der ZIB2 am 5.4.2021 menschenverachtend davon spricht, daß man den Notstandshilfeempfängern die paar Prozent Notstandshilfeerhöhung auf Arbeitslosenniveau ab jetzt wieder streicht, weil es beim „größten Arbeitsmarktbudget aller Zeiten“ auch „andere Maßnahmen“ wie Schulungen, „die Bemühungen Jobs zu schaffen“ usw. gäbe, dann ist das Klassenkampf von Oben! Hier sollte Jenen, die schon am Allerwenigsten haben, auch noch die nächsten 8 % Monatseinkommen geraubt werden, damit sie auch jeden Drecksjob annehmen müssen in ihrer Not. Wohlgemerkt im dritten harten Lockdown, … Das kurz danach die Anhebung der Notstandshilfe doch verlängert wurde, zeigt nur, dass der soziale Angriff lediglich um drei Monate verschoben wurde.
Organisiert euch!
Das wir alle Fälle gegen das AMS gewinnen, ist nur der eine Punkt am Organisiertsein. Zusätzlich war es dem WAS möglich, sowohl als Gewerkschaft, als auch durch solidarische, finanziell besser ausgestattete GenossInnen, allen Betroffenen Überbrückungsgelder als zinslose und frei zurückzahlbare „Darlehen“ anzubieten. Wir konnten den individuellen Druck auf die Einzelmenschen gemeinsam komplett entfernen und die Existenzbedrohung durch staatliche Geldvorenthaltung, die in den allermeisten Fällen dazu führt, daß die Menschen alles mit sich machen lassen, um nur ja nicht in Notlagen wie Delogierung, Frieren oder Hunger zu kommen, auf Null reduzieren! Gemeinsam kämpfen zahlt sich also immer aus und zusammenstehen und aufeinander schauen ist das, was wir mit Solidarität meinen.
Vergessen werden sollte auch nicht, daß das Arbeitslosengeld eine durch die ArbeiterInnenklasse erkämpfte und lange Zeit auch von Gewerkschaften selbstverwaltete Versicherungsleistung und kein Almosen vom Staat ist.
Veröffentlicht am 11.4.2021 auf dem WAS-Blog. Kopieren mit Quellenverweis möglich.
Guter Artikel! Danke für eure Solidarität und Zeit, so sollte die Gewerkschaft handeln