Herrschaftsfreie Basisgewerkschaft – Österreichische Sektion der IAA

WAS heißt: Arbeitskämpfe gewinnen!

In ArbeiterInnenkämpfe Ö, Arbeitsrecht, Arbeitszeit on 25. Juli 2020 at 00:32

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Schon wieder 7000,- Euro für Kündigung erstritten

Das Wiener ArbeiterInnen Syndikat hat sich die letzten beiden Wochen in einem kurzen und intensiven Arbeitskampf befunden. Dieser konnte gestern positiv abgeschlossen werden. Die Betriebsleitung, die keinerlei Unrechtsbewusstsein an den Tag legte, mußte umfangreiche Zugeständnisse machen.

Doch beginnen wir chronologisch. Der mittelständische Betrieb mit fast 60 Angestellten in Wien hat sich unter Anderem im Zuge der Covid-19-Epidemie nicht korrekt verhalten. So kam es z.B. zur Verpflichtung von Schichtübernahmen unter Vorspiegelung falscher Versprechen zur Ablöse, obwohl es einen aktiven Corona-Fall gegeben hat und unsere Genossin noch dazu zur Covid-19-Risikogruppe gehört. Die Genossin hat diese Vorgangsweisen, mit einigen anderen Punkten, wo sich die Leitung des Betriebes unseriös und obendrein auch ungesetzlich verhalten hat, kritisiert. Beispielsweise gibt es im Betrieb noch immer keinen Betriebsrat. Die Arbeiterin, um die es geht, hat zugesagt, bei der Installierung eines ersten Betriebsrates einer weiteren Kollegin behilflich zu sein, und nötigenfalls auch zu kandidieren. Dies war den Chefitäten auch bekannt.

Eine Kündigung

Dennoch wurde unsere Genossin Mitte Juni, als Reaktion auf ihre Kritik, freigestellt und per Ende Juni dann gekündigt. Zuvor wurden noch alle Menschen im Betrieb interviewt und geschaut, ob man nicht doch einen Entlassungsgrund konstruieren könnte. Zusätzlich wollte der Betrieb auch die Minusstunden nicht ausbezahlen, was eine besondere Perfidie darstellt. In der Bude werden nämlich alle Angestellten künstlich auf hohen Minusstunden gehalten. Dies geschieht als Methode, um Alle jederzeit dazu zwingen zu können, für Sonderschichten einzuspringen. Die mehrfachen Bitten, mehr arbeiten zu können und keine Minusstunden zu haben, werden ignoriert und alle Angestellten bleiben auf einem hohen zweistelligen negativem Zeitguthaben, … In den Arbeitsverträgen wird explizit festgehalten, daß Minusstunden nicht ausgezahlt werden, was jedoch dem dementsprechenden Paragraphen 1155 im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, daß unverschuldete Minusstunden nicht abgezogen werden dürfen, widerspricht. Die Firma versucht also das Gesetz per Dienstverträgen zu unterlaufen – und das strukturell in allen Dienstverträgen. Wobei es eben verboten ist, Dienstverträge auszustellen, die die ArbeiterInnen schlechter stellen als es durch die Gesetzeslage vorgesehen ist.

Und eine Klage

Das WAS hat also mit der Genossin gemeinsam eine Kündigungsanfechtungsklage beim Arbeits- und Sozialgericht wegen „Kündigung aus Verpönten Motiven“ eingebracht. Solche Klagen bereiten wir gemeinsam vor. Das WAS macht dabei kein Service, sondern wir nehmen uns gemeinsam Zeit, uns die Gesetze, mit denen wir ArbeiterInnen beherrscht werden sollen, zu verstehen, und das Wissen, wie mit solcher „Rechtsmaterie“ umgegangen werden kann, wirklich zu erlernen. Es werden also keine Klagen „für ein Mitglied“ eingebracht, sondern gemeinsam ermächtigen wir Mitglieder uns selber, solche Klagen einzubringen.

Diese Klagen, die recht komplex sind, und für die man normalerweise die Arbeiterkammer oder den Amtstag vom Gericht benötigt, um sie überhaupt erfolgreich einbringen zu können, kann das WAS mittlerweile aus dem Effeff. Wir bringen solche Klagen übrigens nicht ein, weil wir das Justizsystem in Österreich so geil finden oder Vertrauen in die Rechtssprechung legen würden, sondern hauptsächlich als zusätzliches Instrument, um unsere Ziele zu erreichen. Zusätzlich schauen die meisten Firmen recht dumm aus der Wäsche, wenn „so eine Anarchogruppe“(1) erfolgreich Klagen einbringt, und es zeigt auch sehr schön, daß sich die meisten Buden nichteinmal an geltendes Recht halten. Außerdem scheinen viele Betriebe auch tatsächlich keine Ahnung von Gesetzen zu haben.

„Total unüblich“

Die Klage wurde also sofort angenommen, und wo normalerweise zwei bis drei Monate später die erste „vorbereitende Tagsatzung“ (Verhandlung vor dem Gericht) stattfindet, wurde diese keine drei Wochen später angesetzt. Wir haben uns also entschieden, schnell viel Druck aufzubauen und noch vor dem Termin bei Gericht Verbesserungen für unsere Genossin durchzusetzen. Diese Verbesserungen, die wir für angemessen halten, sind: Verlängerung der Kündigungsfrist und damit ein längeres Anstellungsverhältnis, freiwillige Abgangsentschädigung für unsere Kollegin, kein Abzug irgendwelcher unverschuldeter Minusstunden, und eine schriftliche Stellungnahme des Betriebes zu den inhaltlichen Kritikpunkten!

Die Firma hat überhaupt nicht mit gewerkschaftlicher Aktivität umgehen können. Zuerst hat sie bei einem Termin das Gespräch mit externen WAS-Mitgliedern per Ausflüchten („müssen wir unter den Führungskräften noch besprechen“) abgelehnt. Daraufhin haben wir eine neue Taktik angewandt. Unsere (richtige) Einschätzung war, daß dieser Betrieb besonders an Anonymität und öffentlich unbeschädigtem Image interessiert ist. Also haben wir uns eine „Warn-Kundgebung“ am nächsten Tag ausgedacht. Wir haben uns frühmorgens – zu einer nicht angezeigten Spontankundgebung – um 7.30 Uhr vor das Hauptgebäude, in welchem sich noch einige andere Firmen befinden, gestellt und kryptische Transparente und Schilder mitgebracht. „Noch ist nichts öffentlich“, „Das Wiener ArbeiterInnen Syndikat steht bereit“, „Noch können wir uns außergerichtlich einigen“, „Unsere Gewerkschaft ist kampfbereit“ und „Ein Angriff auf EineN ist ein Angriff auf Alle“ konnte die Betriebsleitung vor ihrer Besprechung also lesen. Wir haben also noch nicht die Mißstände im Betrieb thematisiert, sondern erstmal nur Präsenz gezeigt.

Dies hat auch zu lustigen Spekulationen bei anderen Firmen in dem Gebäude geführt – und ausschließlich zu positiven Reaktionen. Sogar ein paar Bauhackler, die im Nebengebäude werken mußten, haben Selfies mit der Gewerkschaft gemacht. 😉

Der Betrieb hat jedenfalls unverzüglich eine Anwältin eingeschalten, die uns zuerst einmal mit inhaltslosen Schreiben kontaktiert hat. Dies kennen wir als Methode von ArbeitgeberInnen auch schon zur Genüge, und sind zu deren Leidwesen total unbeeindruckt davon.

In weiterer Folge hat die Anwältin sehr viel zu tun gehabt und die Verhandlungen waren teilweise recht zäh. Die Verzweiflung, daß das WAS „total unübliche“ Dinge macht, wurde von der Anwältin sogar schriftlich zum Ausdruck gebracht, …

Eine unübliche Gewerkschaft und ihre unüblichen Methoden

Wir haben dann noch mehrfach im Betrieb angerufen, um unsere Ideen wie man zu einer Einvernehmlichen Lösung kommen könnte Nachdruck zu verleihen, parallel sind die wechselseitigen Angebote gelegt worden.

Geeinigt hat sich die GenossIn dann mit unserer Unterstützung auf folgende Lösung:

  • Einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses statt Dienstgeber-Kündigung
  • Daher Rückziehung der Klage gegen die Kündigung
  • ein halbes Monat längere Anstellung bei vollständiger Freistellung
  • 5000,- Euro freiwillige Abgangsentschädigung
  • kein Abzug irgendwelcher Minusstunden
  • schriftliche Stellungnahme der Betriebsleitung zu den inhaltlichen Kritikpunkten der Genossin

Erreicht wurde dies unter anderem dadurch, da wir in diesem Fall auch ausnahmsweise angeboten haben, die Anonymität des Betriebes zu wahren, und keine Öffentlichkeit herzustellen, falls es schnell und vor dem Gerichtstermin, der diese Woche gewesen wäre, zu einer Eingung kommt. Dies haben wir angeboten, da der Betrieb nicht direkt dem Profit von KapitalistInnen dient.

Wir haben also innerhalb von nichteinmal zwei Wochen um die 7000,- Euro erkämpft. Dieses Ergebnis ist insofern bemerkenswert, da die Genossin gerade einmal ein halbes Jahr im Betrieb beschäftigt war. Besonders ist auch die schriftliche Stellungnahme zu den Kritikpunkten. Auch wenn – wie zu erwarten war – keine zufriedenstellende Antwort daraus entstanden ist (nona, wer wird schon schriftlich Gesetzesübertretungen und vollkommen unethisches Verhalten zugeben), konnten wir die Betriebsführung dazu bringen, sich zumindest mit der Kritik auseinanderzusetzen.

Klassenkampf geht nur gemeinsam!

Wir bewerten diesen Arbeitskampf als absolut erfolgreich. Die Situation unserer Genossin konnte direkt – und das recht ordentlich – verbessert werden, ohne daß weitere externe Stellen wie Gerichte usw. zum Zuge gekommen wären. Die Arbeiterkammer, die unsere Genossin wieder mal hängen gelassen hat und alle anderen Linken, die verkündet haben „da kann man nichts machen“, sind erneut Lügen gestraft worden.

Wir hoffen, daß es im Betrieb von nun an weiter Selbstorganisierung gibt und den Menschen klar wird, daß organisiert einfach viel viel mehr möglich ist, sowie daß Kuschen und Buckeln nichts bringt, sich gemeinsam wehren jedoch immer gute Aussichten auf Erfolg und Verbesserung unserer Lebensumstände hat.

Abschließend müssen wir bemerken, daß ganz speziell dieser Betrieb wieder bestätigt hat, daß eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen erst durch eine Übernahme durch die Belegschaft und ein Weiterbetrieb in Selbstverwaltung, das heißt ohne ChefInnen, erreicht werden kann. Denn ChefInnen und ArbeiterInnen haben immer entgegengesetzte Interessen, auch wenn die anfänglichen Intentionen noch so idealistisch waren.


(1) Zitat eines Arbeitsrechts-Mitarbeiters einer großen anderen Firma


Artikel veröffentlicht am 25.07.2020 auf dem WAS-Blog. Kopieren mit Quellenverweis möglich.

Artikel auf Spanisch: Lo que significa WAS: ¡Ganar las luchas sindicales!

Mehr zu diesem Arbeitskampf:

Warn-Kundgebung vor einem Wiener Betrieb

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  1. Hey!
    Ein sehr schöner Erfolg!
    Die Strategie, öffentlich mit Öffentlichkeit zu drohen, finde ich sehr Nachahmenswert!
    Dank eures Berichts können viele Syndikat von euch lernen und so ein Werkzeug mehr in ihre Kiste packen!

    Heiter weiter – bis zur Revolution

  2. Hallo Rudi!

    Ja, diese neue Taktik hat in dem Fall sehr sehr gut funktioniert. Was uns besonders gefreut hat, ist daß wir mit dieser neuen Idee auch unserem Anspruch, daß wir uns schnell und unbürokratisch auf neue Situationen einstellen können, gerecht geworden sind. Und Spaß gemacht hat es noch dazu! Aber: die Problematik, daß man sich damit vermehrt auf „Mauscheleien“ einläßt, ist auch gegeben, und vermutlich sollte das nur in Spezialfällen – wie unserem hier – angewandt werden. Auch, damit es etwas Besonderes bleibt. Und auch damit man nicht schnell mit 20 oder mehr „Spezialvereinbarungen“ dasteht. Einem 08/15-Ausbeuterbetrieb würden wir das daher vermutlich nicht anbieten. Eine abschließende interne Bewertung dazu machen wir erst noch.

    Und; man muß extrem gut aufpassen, worauf man sich da wirklich einläßt. Wir haben uns von „generellem Informationsverbot“, gegen „grundsätzlichen Berichtsverzicht über diese Firma“ in der Zukunft, und von „Verantwortungsübernahme für externe Medien“ abgrenzen müssen. Die haben wirklich alles versucht, und wir haben mehrfach klarstellen müssen, daß wir lediglich in diesem einen Fall die Anonymität der Firma unsererseits als WAS wahren würden, falls es zu einer schnellen einvernehmlichen Lösung mit der GenossIn kommt.

    Und ja; auf zum Sozialen Generalstreik!

  3. Hab gerade euren Artikel über den erfolgreichen Arbeitskampf gelesen und mich extremst gefreut!!
    Solidarischen Gruß aus Berlin und wenn wir euch hier vor Ort unterstützen können, gebt gerne Bescheid!!

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