Herrschaftsfreie Basisgewerkschaft – Österreichische Sektion der IAA

Warnung vor der „Stopp Corona-App“ des Roten Kreuzes

In Überwachung on 2. April 2020 at 15:51

Das WAS möchte alle Menschen und besonders seine Mitglieder vor der Nutzung dieser App eindringlich warnen. Der Dammbruch der digitalen Datennutzung, dem damit breite gesellschaftliche Akzeptanz verschafft werden soll, muß verhindert werden. Im folgenden Artikel besprechen wir einige Überlegungen dazu.

Das Programm speichert sogenannte Kontakte per digitalem „Handshake“ von Smartphones. Ziel ist es, Kontakte, die sich „nicht vermeiden lassen“, aufzuzeichnen und falls dann bei einem dieser Kontakte eine Covid-19-Erkrankung auftritt, eben alle Kontakte der letzten Tage automatisch zu informieren. Warum ist dies unserer Ansicht nach höchst problematisch?

Datenschutz ok, nur welche Daten?

Zwar wird der Datenschutz in allen Veröffentlichungen immer groß betont, und die Daten selbst werden auch tatsächlich pseudonymisiert gespeichert. Aber es geht gar nicht um die Individuen direkt. Wie immer ist „das Netzwerk“ an sich interessanter für öffentliche Stellen und Firmen wie Konzerne. Welche Menschen in welchen Umständen mit welchem Hintergrund (z.B. Kaufkraft, Situiertheit, örtliche Wohnformen usw.) auf welche anderen Menschen treffen, sind die spannenden Daten. In diesem Fall sind beispielsweise auch schon die Daten, welche Menschen (die was noch installiert haben und welchen Hintergrund haben) überhaupt bereit sind, ein solches Programm freiwillig zu akzeptieren, Gold wert. Dazu kann der Datenschutz der direkt mit anderen UserInnen ausgetauschten Daten selber, dann ruhig ganz passabel sein.

App für welche Fälle?

Die App soll Fälle abdecken, die eigentlich seit den Ausgangssperren nicht mehr stattfinden sollten. Es geht also um das kapitalistische Verwalten von Arbeitszwängen und Kompromissen oder besser gesagt, den Kniefällen vor der Wirtschaft. Wirklich niemand sollte derzeit engen Kontakt zu anderen Menschen haben (müssen). Im Arbeitsbereich werden die Leute aber gezwungen weiterzuarbeiten. Ihre Leben werden bereitwillig aufs Spiel gesetzt. Daher kommt es, im für viele Menschen weiterhin zwangsweisen Berufsalltag, zu Kontakten, die überall anders verboten sind. Das Programm soll nun also als „gelindestes Mittel“ in diesen Bereichen eingesetzt werden. Frei nach dem Motto „wir zwingen die Menschen zwar weiterzuarbeiten, damit die Industrie und Wirtschaft möglichst wenig Einbußen hat, aber mit dem Programm können wir die daraus entstehenden Infektionen am schnellsten identifizieren“.

Job der Behörden

Das Programm erledigt erklärter Maßen die Aufgabe der AmtsärztInnen und Sanitätsbehörden. Es geht also um eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Anstatt daß die Behörden sich darum kümmern, daß die notwendigen Stellen aufgestockt werden und die Arbeit sorgsam erledigt wird, wird halt verkündet, daß „es nicht mehr geht“ – wohlgemerkt schon bei unter 10k. Infizierten, und nur mehr die präventive anlasslose Massenkontaktspeicherung Abhilfe schaffen könnte.

PCR-Tests und 1450

Ähnlich verhält es sich mit der „Gesundheitshotline 1450“ und den derzeit leider nicht vorhandenen Tests. Seit Wochen wird berichtet, daß Menschen, die den Verdacht haben, das Virus in sich zu tragen, nicht getestet werden, wenn sie nicht direkten Kontakt mit Infizierten nachweisen können. Es gibt Menschen die teilweise zehn Tage auf ein Testergebnis warten, die Hotline ist permanent überlastet und eigentlich am ehesten mit einer staatlichen Firewall zu vergleichen denn mit einer echten Hilfeleistung, da die primäre Aufgabe – wie aller Hotlines – jene ist, die echten Strukturen von den berechtigten Interessen der Bevölkerung frei zu halten. Quasi die Chellohotline des Gesundheitswesens, … Und genau diese Unzulänglichkeiten sollen nun mit diesem Selbstüberwachungs-Programm teilweise kompensiert werden. Die Regierung ist zwar unfähig all jene zu testen, die Symptome zeigen und das wollen, aber das Programm soll automatisiert die Totalquarantänevorgaben verlautbaren – natürlich ohne teuren Tests.

Die Versicherung zahlt

Die App wurde mit Geldern des Versicherungskonzerns UNIQA programmiert. Daten sind die Goldgrube aller Versicherungen. Bereits derzeit bekommt man bei Krankenversicherungen Rabatte, wenn man seine Daten bereitwillig hergibt, oder KFZ-Haftpflicht günstiger, wenn man sich GPS-tracken lässt. Natürlich hat eine Versicherung höchstes Interesse daran, einen Testballon einer breit akzeptierten Hilfsorganisation, wie weit Menschen ihre Kontakte „freiwillig“ hergeben, zu bezahlen. Die Informationen, die UNIQA aus diesem Experiment bekommt, sind unbezahlbar, auch wenn keine direkten Daten an die Versicherung geliefert werden, können genügend Rückschlüsse daraus gezogen werden. Dem Handytracking und dynamischen Versicherungsprämien steht also in Zukunft nichts mehr im Wege. Wer in Zukunft seine Blutzuckerwerte nicht täglich an die Versicherung melden will, zahlt halt mehr. Wer Geodatentracking und Freizeitaktivitäts-Datenübermittlung zulässt, bekommt Rabatte. Wer seinen Smart-Eiskasten und sein Amazon-Konto mit der Versicherung verknüpft und so seinen unliederlichen Lebenswandel bereitwillig nachweist, kann‘s dann ebenfalls ein wenig billiger haben, …

Erschreckende Überwachung in Asien

Wer in den letzten Monaten die unglaubliche Totalüberwachung in Asien mitbekommen hat, ahnt was uns auch hier erwartet. Da gibt es staatliche Programme, die live alle Infizierten mit Adresse, teilweise auch Namen und Bewegungsdaten derer Smartphones, für Alle bereitstellen. Da wird die Quarantäne zwangsweise an diese digitalen Pranger gebunden, Menschen bekommen von undurchsichtigen Algorithmen einen Status wie „Quarantäne“ zugewiesen. Wer kein Smartphone besitzt, kann sowieso nicht mehr vollumfänglich am öffentlichen Leben teilnehmen (z.B. keine Öffitickets mehr beziehen, …). Diese App des österreichischen Roten Kreuzes ist unserer Meinung nach nichts Anderes als das Trojanische Pferd dieser Digitalen Dystopie. Eine breit wohlwollend rezipierte Hilfsorganisation führt – natürlich vollkommen altruistisch – so ein freiwilliges digitales Überwachungsinstrument ein, und bricht damit die Dämme der in Europa noch stärker ausgeprägten Wichtigkeit von Freiheitsliebe, Freiwilligkeit und Eigenverantwortung.

Big Data der Bundesregierung

Seit über einer Woche schon fabuliert Basti Bundeskanzler von der Nutzung von Big Data. Werden in Israel gleich sämtliche Bewegungsdaten von allen Menschen vom Geheimdienst genutzt, so mußte es in Österreich beim Testballon der „eh anonymisierten Datenweitergabe“ durch A1 bleiben. Die österreichische Datenschutzbehörde hat natürlich gleich ihren Sanktus gegeben, … Die feuchten Träume der ÜberwachungsfanatikerInnen weltweit werden gerade wahr. Ohne große Gegenwehr können überall „wegen der Ausnahmesituation“ solche Überwachungsmaßnahmen umgesetzt werden. Daß nun das Rote Kreuz – mittlerweile muß man es als Vorfeldorganisation der Christlichsozialen bezeichnen – so ein Programm erstellt, bewirbt und versucht, unter relevanten Bevölkerungszahlen zu verbreiten, darf nicht gelingen!

Nur nebenbei bemerkt: Wer war mit dabei? Die Grüne Partei! Denn wie energisch beispielsweise Sigi Maurer dieses Programm beim „Runden Tisch“ des ORF am Abend des 1.4. verteidigt hat, war schon richtig beängstigend. Es stellt sich die Frage, ob die Grünen wieder einmal gar nichts kapieren oder gar mehr dahintersteckt, wie daß die ÖVP die Zwangsnutzung aller Handydaten koalitionsintern angekündigt hat und die Grünen gerade noch so die Freiwilligkeit hineinreklamiert haben? Schlußendlich sind solche wüsten Spekulationen aber sinn- und auch belanglos für die Realität.

„Stopp Corona-App“

Der Name alleine ist schon irreführend. Eine App stoppt natürlich überhaupt nichts. Gestoppt wird die Pandemie durch umsichtiges und verantwortungsvolles Handeln der Menschen selber. Nur leider können die HacklerInnen das oft nicht, weil sie vom Job abhängig sind. Während sich im Privatbereich alle, ganz christlich traditionell, selbstgeißeln, Verzicht üben sollen und ihnen gerade als soziale Wesen alles abverlangt wird, wird im Arbeitsbereich munter weitergemacht, ohne daß beispielsweise die Sicherheitsabstände gewahrt werden oder überall genug Schutzausrüstung vorhanden wäre.

Wer bisher noch nicht davon überzeugt ist, daß die Selbstüberwachung gar keine gute Idee ist, sollte sich nochmals 100% klar machen, daß dieses Programm einen selbst überhaupt nicht schützt. Es informiert lediglich dann, wenn es schon zu spät ist und informiert dann darüber, daß man keine weiteren Menschen infizieren sollte. Auch wenn die Nazikeule nicht immer angebracht ist, aber die Intention geht in Richtung des „gesunden Volkskörpers“. Dem Individuum nicht hilfreich, aber eben eine Unterstützung für das Weiterlaufen der Wirtschaft.

Was gemacht werden kann, wird gemacht

Es sollte allen klar sein, daß alles was möglich ist, auch versucht werden wird. Wenn dieses Programm jetzt tatsächlich freiwillig breit angenommen wird, dann werden in naher Zukunft unfreiwillige Datennutzungen folgen. Die Handlungen der Regierenden zielen für jeden denkenden Menschen sehr wohl auch auf Freiheitseinschränkungen ab. Beispielsweise ist das derzeitige Demonstrationsverbot auch so eine Sache. Nur weil wir alle die Idee des Abstandhaltens für gut halten, gibt es eigentlich keinen Grund, Demonstrationen zu untersagen. Mit Abständen von 3 Metern zwischen den DemonstrantInnen, noch dazu im Freien, ist eine Ansteckungsgefahr um Welten geringer als in jedem Billa. Aber es geht halt nicht um realen Schutz der Menschen, sondern um Kontrolle und Herrschaft.

Appnutzung zur Erleichterung der Ausgangsbeschränkung?

Einige JournalistInnen haben die Verantwortlichen um das Gerücht befragt, daß in naher Zukunft jene, die dieses Programm nutzen, Erleichterungen der Ausgangssperre nutzen könnten. Oder andersherum daß jene die sich weigern das Programm zu verwenden (oder mangels Smartphone gar nicht können), eben weiterhin restriktivere Ausgangsregelungen befolgen müssen. Diese Überlegung ist gar nicht so abwegig, es kann vermutet werden, daß zumindest die Idee in Regierungskreisen herumschwirrt, wenn schon sogar der ORF kritisch nachfragt.

Nur für die zwei großen Player

Die App existiert nur für die Betriebssysteme der beiden großen Player iOS und Android. Dabei haben die Kapazunder von Accenture Österreich, die sie programmiert haben, wie verwerflicher Weise so oft in der IT-Branche, auch nur sehr neue Versionen bedacht, und damit etliche Menschen ausgeschlossen. Es brauch ein gerade einmal 4 ½ Jahre altes Android 6.0 oder sowieso erst 1 ½ Jahre altes iOS 12.0. Auf alternative Betriebssysteme oder zumindestens die kleineren Player wie Blackberry, KaiOS, Windows, Symbian, … wird gleich komplett verzichtet. Würde es tatsächlich um die Menschen und um gegenseitige Hilfe gehen, dann würden sich die Verantwortlichen bemühen auch wirklich alle Smartphones abzudecken. Es geht aber eben um Marktüberlegungen in Richtung „wir erwischen potentiell 90% der Smartphoneuser, mehr kostet zuviel“. In diesem Fall können wir uns ausnahmsweise über die Markthörigkeit und fortwährende Unterstützung der Geplanten Obsoleszenz durch die Software-Industrie freuen. Die Beschränkung auf den absoluten Mainstream unterstützt unser Anliegen, daß diese App nicht breit genutzt werden wird.

Closed Source

Während die Marketing-Abteilung des Roten Kreuzes sich in den App-Stores von Google und Apple bemüht, alle Anfragen schnellstmöglich zu beantworten, ist Eine seit Tagen unbeachtet: „Open source Wieso wird die App nicht als Open Source Projekt entwickelt? Werden mit der app kommerzielle Interessen verfolgt?“ fragt ein User bereits am 29.3. – und bekam bisher keine Antwort.

In der IT dürfte sich schon lange herumgesprochen haben, daß Open Source und die dadurch gegebene Möglichkeit, den Code durchzusehen und die Funktionalität überhaupt nachvollziehen zu können, Vertrauen schaffen würde. So bleibt eine Privatfirma, die angeblich für das öffentliche Wohl ein Programm erstellt, dessen Funktionalität die Öffentlichkeit aber nicht einsehen kann. Der Code bleibt Intellektuelles Eigentum der Firma und damit geheim.

All diese Überlegungen sind noch nicht „fertig“, manche Aspekte fehlen auch komplett. Die – besonders gesellschaftspolitischen – Auswirkungen dieses digitalen Supergaus können noch nicht abgeschätzt werden und bedürfen fortwährender Neubewertungen. Dennoch können wir als Gewerkschaft bisher schon zu folgendem Schluß gelangen:

Diese App des Roten Kreuzes ist gegen unsere Interessen als ArbeiterInnen gerichtet. Sie dient andererseits dem Kapital als Feigenblättchen und die Möglichkeit uns weiterhin in die Lohnarbeit zu zwingen. Auch das eigenverantwortliche Handeln wird nicht gefördert und falsche „Sicherheit“ durch ein Computerprogramm vorgegaukelt.

Obwohl die Smartphone-Nutzung innerhalb unserer Gewerkschaft sowieso überdurchschnittlich gering ist und vermutlich unter 20% liegt, rufen wir alle Menschen auf, diese App keinesfalls zu installieren!

Ganz im Gegenteil, wir müssen versuchen, die kommenden Wochen die tatsächlichen und direkten Übertragungswege zu unterbinden und solche Situationen, in denen das Programm genutzt werden soll, selbst zu verhindern.

Erstveröffentlichung am 2.4.2020 auf dem WAS-Blog, Kopieren mit Quellenverweis möglich.

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  1. Niemand wartet 10 Tage auf das Ergebnis eines Corona Abstrichs. Die Installation der App ist freiwillig, die Datenschützer haben der Freigabe zugestimmt. Mich ärgert es enorm, dass hier so viele Halbwahrheiten verbreitet werden.

    • Lieber Gerhard!
      Natürlich gibt es diese Fälle von extrem langen Wartezeiten. Wenn man überhaupt zu einem Test kommt und nicht abgewimmelt wird, dann waren es schon öfter 10 Tage. Besonders mit dem Warten auf 1450 und warten auf den Abstrich! Das wurde auch schon mehrfach in den Massenmedien thematisiert. Nur zwei Beispiele: im Standard vom 10. März wird von einem Fall berichtet, wo es überhaupt erst nach Tagen und Interventionen vom Arbeitgeber zu Abstrichen durch den Ärztefunkdienst kam, und zumindestens 10 Tage nach der Erstmeldung bei 1450 gedauert hat. Oder am 26. März wo Armin Wolf in der ZIB 2 im Gespräch mit Peter Hacker berichtet daß ein Redaktionsmitglied der ZIB weiterhin auf ein Ergebnis nach dem Abstrich wartet, welcher sieben Tage zuvor genommen wurde, …

      Daß es mit der „Freiwilligkeit“ nicht so weit her ist, haben die Vorstöße von Sobotka und Maurer die letzten Tage auch schön gezeigt. Wenn Du diese Gefahr und diese totalitären Tendenzen nicht sehen willst, ist das traurig. Wir haben uns jedenfalls in unserer Warnung und Analyse sehr bestätigt gefühlt, wenn wenige Tage nach disem Artikel bereits so weit vorangeschrittene Ideen, inklusive „Bluetooth Beacons“ für Nicht-Smartphone-BesitzerInnen (immerhin noch 2 Millionen Menschen hier), präsentiert werden. Zum Glück war der Aufschrei so breit und stark, daß die Regierenden diesmal zurückgerudert sind.

      Ansonsten ist die Kritik „dass hier so viele Halbwahrheiten verbreitet werden“ halt sehr unspezifisch und nur eine Behauptung. Wir korrigieren uns gerne, falls Fakten nicht stimmen würden. Unsere Analysen wirst Du vermutlich eh nicht teilen. Und schließlich wäre es natürlich interessant, ob Du ein Naheverhältnis zum Roten Kreuz oder Uniqa oder Accenture hast?

  2. Jeder, der ein Handy hat und hier im speziellen den angebissen Apfel, gibt seine persönlichen personenbezogenen Daten weiter, jeder der Facebook hat, stellt sein Leben in die Öffentlichkeit. Und da kommt so ein Schmierblatt und erzählt etwas von Datenschutzverletzungen durch die Corona RK App. Da geht mir der Hut hoch. Bitte erklären sie hier, worin diese Datenschutzverletzung besteht! Ihr wisst schon, dass wir es mit einer weltweiten Pandemie zu tun haben, deren Eindämmung es zu veranlassen gibt. Diese App gibt im Unterschied zu Apple, Google, Amazon, Facebook…. keine personenbezogenen Daten weiter.

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