Herrschaftsfreie Basisgewerkschaft – Österreichische Sektion der IAA

Doch keine Auslagerung

In ArbeiterInnenkämpfe Ö, Arbeitsrecht, Informationstechnik on 6. Dezember 2017 at 23:15

Das Wiener Arbeiter*innen Syndikat hat dieses Jahr u.A. mit KollegInnen in einem großen IT-Konzern, der auch in Wien eine vierstellige Anzahl an Beschäftigten hat, eine Aktion gemacht. In dem Betrieb werden derzeit wieder verstärkt Abteilungen ausgelagert. Der buchhalterische Wahnsinn, dem schon viele Beschäftigte zum Opfer gefallen sind, läuft jetzt schon seit Jahren. „Zugekaufte“ Dienstleistungen können nämlich als Betriebsaufwände verbucht werden, im Gegensatz zu direkt Beschäftigten, die als Personal- und somit Fixkosten in den Jahresabrechnungen aufscheinen. So werden immer mehr Arbeitsplätze ausgelagert und vormals Angestellte zu „Dienstleistenden“ gemacht und mit diesem Buchhaltungstrick die Bilanzen aufgehübscht. So als ob die Konzerne viel weniger Fixkosten hätten als in Wirklichkeit und der Betrieb viel profitabler wäre als er tatsächlich ist. Zusätzlich sind hoch diversifizierte Belegschaften einfacher zu lenken, die Angestellten und ArbeiterInnen der unterschiedlichen Firmen viel besser gegeneinander auszuspielen und es ist generell mit niedrigerem Organisierungsgrad und dadurch weniger Widerstand zu rechnen.

So auch in diesem Fall, wo Abteilung für Abteilung in klassischer Salamitaktik ausgelagert, nach Asien transferiert oder in Zukunft von Zeitarbeitsfirmen beschickt wird bzw. werden soll. Etliche Abteilungen wurden bereits ausgelagert, besonders die Arbeiter von den Bautrupps vor Ort sowie Backoffice und Programmiertätigkeiten, welche jetzt im großen Stil von Asien aus erledigt werden.

In einer Abteilung, in der Mitglieder unserer Gewerkschaft arbeiten, die nahe an die Netzintegrität des Konzerns gebunden ist, war seit 1 ½ Jahren klar, daß diese auch ausgelagert wird. Ein anderer IT-Konzern sollte die Abteilung komplett übernehmen und alle Arbeiten, mit sämtlichen derzeit Beschäftigten dann „extern“ anbieten.

Solche „Betriebsübergänge“ sind in Österreich leider problemlos möglich für Firmen und Konzerne. Noch gibt es dabei jedoch einige rechtliche Vorgaben, wie beispielsweise daß der Kollektivvertrag der angestellten Menschen nicht geändert werden darf und daß es im Folgejahr keine Kündigungen geben darf, wenn sie als komplette Abteilung an eine andere Firma verscherbelt werden.

Der Betriebsrat hat natürlich nicht im Sinne der HacklerInnen gearbeitet. Bei anderen Abteilungen, die bereits ausgelagert wurden, sind gerade mal zwei Wochen vor dem Betriebsübergang lediglich die Fakten präsentiert worden. „So ist es halt“, und „ihr seits in zwei Wochen MitarbeiterInnen einer anderen Firma“.

Das größte Problem an der Sache ist aber, daß die MitarbeiterInnen immer einzeln zu Gesprächen gebeten wurden und ihnen nahegelegt wurde die Verträge bei einem Konzern freiwillig aufzulösen und mit dem neuen Konzern andere Verträge abzuschließen. Inklusive aller Konsequenzen wie neue Kollektivverträge, keine durchgehenden Arbeitsverhältnisse (Abfertigungen, …) uvw.

Unsere Gewerkschaftsmitglieder haben sich dafür entschieden, in einer ersten Aktivität die strukturelle „Nicht-Information“ zu durchbrechen, und über die genauen Hintergründe und rechtlichen Vorgaben zu informieren. Ziel war zu diesem Zeitpunkt definitiv keine öffentliche Aktion, sondern die KollegInnen direkt zu ermächtigen. Sie mit konkreten Informationen zu versorgen und ihnen Wissen in die Hand zu geben. Die Strategie der Personalabteilungen war ja die MitarbeiterInnen vereinzelt zum Gespräch zu laden und sie direkt zu Einvernehmlichen Kündigungen zu drängen, weil sie nur dann „im neuen Betrieb übernommen werden könnten“. Was natürlich Blödsinn ist, aber genügend Menschen in Drucksituationen sind darauf eingestiegen und würden sich aus Angst um den Arbeitsplatz nie „aufzumucken“ trauen, wenn da unangekündigt auf einmal die Anzugträger der beiden Konzerne vor einem sitzen und das Blaue vom Himmel erzählen.

Die KollegInnen haben sich also nach einer Betriebsrecherche und Analyse aller MitarbeiterInnen der Abteilung – mit Unterstützung des WAS – dazu entschieden, Flugblätter mit sämtlichen rechtlichen Hintergründen und Gesetzen, die einzuhalten sind, an alle Betroffenen direkt zu verteilen. Dabei wurde auch das WAS vorgestellt und die Vorzüge einer Basisgewerkschaft angesprochen. Zusätlich wurden zu dieser Zeit etliche Gesetzestexte, Hintergrundinformationen, AK-Broschüren zum Thema ausgedruckt und an prominenten Plätzen in der Firma aufgehängt. Diese sind spannenderweise relativ lange öffentlich ausgehängt gewesen. Das Zusammentragen der Informationen, die Selbstermächtigung auch in rechtlichen Fragen und die Erfahrung, daß dies mit eine wenig Aufwand allen Betroffenen auch selbst und direkt möglich ist, war auch für unsere Mitglieder eine gute „Schulung“ an einem konkreten Fall.

Und siehe da; die Abteilung wird nicht ausgelagert!

Es wäre natürlich vermessen uns jetzt einen „Sieg“ auf die Fahnen zu heften, aber die Abteilung wird auf einmal nicht mehr ausgelagert. Und das obwohl das Outsourcing im Konzern grundsätzlich munter weitergeht. Genauso wie vorher eineinhalb Jahre lang nicht klar war, wann und wie genau der Betriebsübergang stattfinden soll, war auf einmal nicht klar, warum nun doch nicht. Dabei ist nicht gesagt, ob in den Chefetagen überhaupt irgendwer unser Flugblatt zu Gesicht bekommen hat. Geplant war das jedenfalls nicht. Aber es wäre durchaus denkbar, daß mit der guten Informationslage der betroffenen KollegInnen eben Widerstand zu erwarten gewesen wäre und EntscheidungsträgerInnen die Auslagerung in diesem kleinen Teilbereich deshalb abgeblasen haben oder einmal länger auf Eis gelegt haben. Wissen können wir es nicht, aber äußerst interessant ist es dennoch.

Wir halten dieses Beispiel für eine gelungene Form der gewerkschaftlichen Aktivität. Besonders auch, da unsere Aktion nicht auf eine appelative Ebene abgedriftet ist, sondern die direkte Wissensvermittlung an die KollegInnen zum Ziel hatte. Chefitäten wurden nicht angesprochen und waren auch nicht Ziel der Aktion, sondern die direkt Betroffenen wurden durch direkt Betroffene gestärkt. Die Entscheidung der GenossInnen, andere KollegInnen direkt, individuell und anonymisiert – als WAS – zu informieren, war in dieser Situation goldrichtig. Ebenfalls wurde das WAS dabei bekannt gemacht und hat die KollegInnen dadurch, daß es sich als Gewerkschaft in die erste Reihe gestellt hat, schützen können. Sie sind nämlich weiterhin im Betrieb beschäftigt und bisher keinerlei Repression ausgesetzt.

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